Es gibt Geschichten, die wollen unbedingt sofort auf´s Papier kommen, wollen erzählt, als aufgefädelte Buchstaben zu Wörtern und zu Texten werden, Menschen im Herzen erreichen. Nicht selten sind es die Geschichten, die das Leben selbst schreibt und gerade deshalb sind es nicht zuletzt die Erzählungen aus der Heimweh-Serie, die ganz besondere Begegnungen schaffen.
Wenn Miriam Reisinger schildert, wie sich ihr Weg seit dem ersten Heimweh-Interview entwickelt hat, dann ist es so, als würde sie einem wunderschönen bunten Blumenstrauß nach und nach eine Blüte hinzufügen, so wie ihr Garten in Wiener Neustadt (NÖ), in den Sonnenstrahlen des Maiwetters zu erblühen beginnt.
Aufgewachsen in Debant, zog es Miriam nach der Matura an der HAK Lienz zunächst für kurze Zeit nach Nordtirol, bevor sie sich für ein Studium der Bildungswissenschaften in Österreichs Hauptstadt entschied. Als sie Linda Steiner vor zehn Jahren beim ersten Heimweh-Interview gegenübersaß, stand sie kurz vor ihrem Bachelorabschluss und arbeitete mit viel Freude bei den Wiener Kinderfreunden als Pädagogin.
„Ich habe ein riesengroßes Herz und wollte den Jugendlichen einfach nur helfen. Gleichzeitig spaltete die Flüchtlingskrise die Gesellschaft.“
Damals war noch nicht klar, wie es weitergehen würde, doch dann waren es äußere Umstände, die sie einen spannenden Weg im Bereich der Sozialpädagogik einschlagen ließen: Als Miriam 2015 ihr Studium abschloss, stieg sie direkt ins Flüchtlingswesen ein. Sie betreute zwei Wohngemeinschaften mit jeweils vier unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Eine herausfordernde Aufgabe: „Ich habe ein riesengroßes Herz und wollte den Jugendlichen einfach nur helfen. Gleichzeitig spaltete die Flüchtlingskrise die Gesellschaft und die bei uns asylsuchenden Menschen wurden mit zahlreichen Vorurteilen überhäuft, während sie mit ihren eigenen Traumata zu kämpfen hatten.“
Schlussendlich erkannte Miriam, dass sie mit ihrem Idealismus ihre Grenzen erreichte: „Mein Supervisor meinte damals, es wäre besser, wenn ich die Reißleine ziehe, sonst hätte ich wahrscheinlich ein Burn-out erfahren. Trotzdem möchte ich keine Sekunde missen. Hin und wieder treffe ich zufällig einen von den Jungs und freue mich, wenn ich sehe, dass es ihnen gut geht.“
„Mich hat immer schon interessiert, wie unser Körper aus ernährungstechnischer Sicht funktioniert.“
Miriam schaute sich nach Alternativen um und absolvierte eine Ausbildung zur diplomierten Ernährungstrainerin: „Mich hat immer schon interessiert, wie unser Körper aus ernährungstechnischer Sicht funktioniert, wie ich meinen eigenen Körper so unterstützen und auch anderen Menschen helfen kann.“
Auf Vertragsbasis hielt sie verschiedene Workshops für Pädagog:innen in Schulen und Kindergärten zum Thema gesunde Ernährung, bot Kochkurse an und richtete ihren eigenen Food-Blog ein. „Ich habe dann noch Kurse im Bereich Food-Fotografie belegt. Da habe ich mich richtig ausleben können, das hat total Spaß gemacht!“, freut sie sich.
Parallel dazu fing sie an, in einem vegetarischen Bistro zu arbeiten, sammelte Berufserfahrung im Bereich der Gastronomie und brachte im Marketing und Social Media des kleinen Restaurants ihre Ideen und ihre Kreativität mit ein.
„Ich habe recht rasch gemerkt, dass ich doch wieder zurück in den sozialen Bereich möchte und mich als Pädagogin in der Nachmittagsbetreuung an einer Volksschule in Wien beworben“, erzählt die quirlige Osttirolerin. Sie begleitete eine Klasse von der ersten bis zur dritten Schulstufe: „Ich arbeite wahnsinnig gerne mit Kindern in diesem Alter. Wenn man eine Gruppe über einen so langen Zeitraum begleiten darf, ist es wunderschön zu sehen, wie sich die einzelnen Kinder weiterentwickeln. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass ich ihnen über die Betreuung hinaus gerne mehr beibringen würde.“
Kurzerhand schrieb sie sich für ein Volksschullehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule in Baden ein, wohin es sie der Liebe wegen gezogen hatte. Vier Jahre lang jonglierte sie zwei Selbstständigkeiten, ihr Privatleben und das Vollzeitstudium – den Bachelorabschluss hat sie seit Juni des vergangenen Jahres in der Tasche.
„Als ich mich 2020 für das Studium einschrieb, erfuhr ich eher per Zufall von der Möglichkeit, für das österreichische Familienunternehmen Ringana im Network-Marketing zu arbeiten.“ Ein Glücksfall für Miriam, denn diese Art der Selbstständigkeit ließ sich mit dem zeitintensiven Studium vereinen. Sie merkte bald, dass sie sich sowohl mit der Marke als auch mit dem Marketing-Konzept gut identifizieren konnte: „Es ist kein Network-Marketing wie man es sonst oft kennt, es gibt kein Schneeballsystem, keine Ellenbogenmentalität. Vielmehr geht es um Gemeinschaft, Zusammenarbeit, persönliche Entwicklung, Transparenz und vor allem Nachhaltigkeit.“
Nebenbei entstand gemeinsam mit einer Kindheitsfreundin die Idee, als Franchise-Unternehmerinnen einen „Mamiladen“ in Wiener Neustadt zu eröffnen. „Sarah ist damals gerade selbst Mama geworden und war oft in Klagenfurt in einem Mamiladen. In Niederösterreich gab es das Konzept noch nicht, deshalb nahmen wir das Projekt einfach selbst in die Hand.“


Mit Abschluss des Lehramtsstudiums beschloss Miriam, sich auf ihre Selbstständigkeit zu fokussieren: „Trotzdem finde ich es angenehm zu wissen, dass ich mit dem Unterrichten noch einen Plan B habe, der mir ebenfalls Spaß macht.“ Im ersten Jahr, das war 2023, ging es mit ihrem eigenen Mamiladen in erster Linie darum, über die Runden zu kommen: „Bei mir ist es grundsätzlich so, dass ich mich, wenn mich etwas überzeugt, mit voller Energie in ein Projekt stürze, ohne vorher lange darüber nachzudenken. Meistens klappt es dann auch“, lacht Miriam.
Das Geschäft bietet eine hochwertige Auswahl an nachhaltigen Produkten für Babys und Kleinkinder und erstreckt sich über zwei Stockwerke: „In der Gestaltung des Ladens dürfen Sarah und ich uns austoben, sie ist das Zahlengenie, ich bin der kreative Kopf.“ Auch einen Seminarraum gibt es, in dem verschiedene Workshops für (werdende) Eltern angeboten werden: „Auf dem Programm stehen Geburtsvorbereitungskurse mit Hebammen, Schwangerschaftsyoga, geführte Meditationen, Räucherseminare, Kinderspielgruppen und vieles mehr. Hin und wieder bieten wir auch selbst Workshops an.“
An diesem Punkt im Interview legt Miriam nachdenklich eine kurze Pause ein: „Eigentlich ist es schon krass, was wir in den letzten Jahren alles geschafft haben. Meistens ist man so in einem Hustle-Modus und arbeitet durchgehend, dass man sowohl vergisst, die kleinen Erfolge zu feiern, als auch das große Ganze zu sehen.“
Doch hin und wieder bleibt auch Zeit zum Feiern, etwa die Verlobung mit ihrem Martin, mit dem sie seit zehn Jahren durchs Leben geht, die anstehende Hochzeit im nächsten Jahr oder auch, dass sie endlich in ihrem eigenen, lang ersehnten Garten die wunderbaren Sonnenuntergänge im niederösterreichischen Hügelland genießen kann: „Bevor ich einen Garten hatte, war mein Balkon immer der Grünste von allen“, lacht sie.
„Eine kleine Familie ist auf jeden Fall geplant, nur wäre sich das in den letzten Jahren einfach nicht ausgegangen.“
Über den Garten freuen sich nicht zuletzt auch ihre beiden Katzen, zu denen früher oder später wohl auch noch ein weiteres Familienmitglied hinzukommen wird: „Eine kleine Familie ist auf jeden Fall geplant, nur wäre sich das in den letzten Jahren einfach nicht ausgegangen.“
Wiener Neustadt wird in den nächsten Jahren auf jeden Fall ihr gewähltes „Dahoam“ bleiben, für Kurzbesuche in Osttirol findet sie allerdings auch immer wieder die Zeit. Außerdem hat sie als „Exil-Osttirolerin“ prominente Unterstützung in der knapp 50.000 Einwohner:innen zählenden Stadt: Bürgermeister Klaus Schneeberger ist ein gebürtiger Lienzer.
Die schönste Antwort gibt Miriam auf die Frage, wie ihr idealer (Arbeits-)Tag ausschaut: „Früher hätte ich das mit einem Traum für die Zukunft beantwortet. Heute kann ich sagen, dass ich meinen Traum lebe: Schon in der HAK war es immer mein Ziel, irgendwann selbstständig zu sein, mit einer Freundin zusammen zu arbeiten und meinen Tag nach meinen eigenen Vorstellungen zu gestalten.“
Klar müsse sie jeden Tag zu einer gewissen Uhrzeit im Mamiladen stehen. Es gibt anstrengende Tage, an denen große Entscheidungen getroffen oder unangenehme Gespräche geführt werden müssen: „Aber der ganze Rahmen ist so schön, dass ich über Dinge, die nicht so rosig sind, hinwegsehen kann.“
„Heute kann ich sagen, dass ich meinen Traum lebe.“
Ob sie sich vor zehn Jahren hätte vorstellen können, da zu sein, wo sie jetzt ist? „Gewünscht hätte ich mir das vielleicht schon“, schmunzelt Miriam. Ihrem Ich aus dem letzten Heimweh-Interview würde sie folgende Worte mitgeben: „Folge immer deiner Intuition, der Weg zeigt sich im Gehen. Aber damals hätte ich mir wohl gedacht: ‚Was soll denn das jetzt heißen?‘“, lacht sie.
Wer Miriams Weg weiterverfolgen möchte, erhält auf Instagram kleine Einblicke in ihren Alltag – und insbesondere Inspiration für die Gestaltung einer grünen Wohlfühloase.
Ein Posting
Sehr geehrtes Team Dolimitenstadt,
danke für das interessante interview. Allerdings ist das Thema "network-marketing" viel problematischer als hier dargestellt!! Davon kann man sich in zahllosen Berichten über alle medien verteil selbst ein Bild machen. Diese Form der Schleichwerbung finde ich in einem solchen Bericht unpassend und sollte auch als diese gekennzeichnet werden. Danke
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