Beginnen wir in Osttirol. Bis vor Kurzem prägte hier der unermüdliche Strippenzieher und mittlerweile pensionierte Bezirksstellen-Leiter Reinhard Lobenwein die Aktivitäten und den Auftritt der WK vor Ort. Die gewählten Funktionäre waren eher Staffage.
Vor Michaela Hysek-Unterweger waren das der bescheiden wirkende Lebensmittelhändler Michael Aichner und der bodenständige Malermeister Günther Lamprecht, also Unternehmer als gewählte Obleute der Kammer, die natürlich ihre Unternehmen weiterführten und auch davon lebten. Wer hätte je darüber nachgedacht, ob und wie hoch Aichner und Lamprecht als Unternehmer von der Kammer für ihre repräsentativen Auftritte „entschädigt“ werden?
Womit wir beim aktuellen Thema wären. Wie dolomitenstadt.at schon vor einigen Tagen publizierte, erhält die aktuelle Obfrau der Wirtschaftskammer im Bezirk, Michaela Hysek-Unterweger, monatlich knapp 2.400 Euro Entschädigung für ihre Auftritte im Namen der Wirtschaft. Ich mag nicht beurteilen, wie angemessen das ist. Offensichtlich ist für mich aber, dass die Geschäftsführerin einer traditionsreichen Marmeladen-Produktionsfirma dieses Geld nicht braucht, um ihren Lebensunterhalt zu decken.
Hysek-Unterweger arbeitet hauptsächlich in ihrer eigenen Firma und nicht in der Kammer. Sie kann damit glaubwürdig aus der Insider-Perspektive einer mittelständischen Unternehmerin sprechen. Das ist die Grundidee hinter dieser Funktion. Ich bin selbst Unternehmer und keineswegs immer einer Meinung mit der WK-Bezirksobfrau, respektiere aber ihre Standpunkte.
Ganz anders sieht das eine Ebene höher aus. Dort steckt die Tiroler WK-Präsidentin Barbara Thaler monatlich vor Steuern eine fürstliche Apanage von mehr als 10.000 Euro ein. Ihre Gage wurde von 2024 auf 2025 – mitten in den harten Zeiten – fast verdoppelt. Das stößt zurecht auf viel Kritik und Thaler muss sich vor diesem Hintergrund die Gretchenfrage gefallen lassen: „Was ist die Leistung?“
Geführt wird die Tiroler Kammer mit ihrem gesamten Serviceangebot von Kammerdirektorin Evelyn Geiger-Anker, einer gebürtigen Osttirolerin. Die gewählte Präsidentin Thaler ist operativ nicht tätig, sondern in erster Linie politisches Aushängeschild und Sprachrohr. Doch dazu müsste auch sie glaubwürdig Unternehmerin sein und vorwiegend als solche arbeiten, mit einer über ihre politische Heimat hinausreichenden Expertise und Perspektive. Nur so könnte Thaler für sich in Anspruch nehmen, als Praktikerin des unternehmerischen Alltags auch dessen Herausforderungen zu kennen.
FPÖ-Obmann Abwerzger verweist in seiner Kritik an der Erhöhung von Thalers Entschädigung darauf, dass früher „die Kammerpräsidenten der Wirtschaftskammer in Tirol die Aufwandsentschädigung nicht als Lebensgrundlage benötigten, sondern erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten waren, die traditionsreiche Unternehmen führten.“ Er trifft den Nagel auf den Kopf.
Zugegeben, Christoph Walsers berufliches Schicksal ist kein Ruhmesblatt, aber auch er war bis zu seinem Scheitern ein gestandener Unternehmer, ebenso wie Jürgen Bodenseer vor ihm. Die aktuelle Vizepräsidentin der Tiroler Kammer, Martina Entner, führt ein Hotel, Vizepräsident Martin Wetscher ein großes Möbelhaus. Auch Hochkaräter wie Manfred Pletzer saßen schon im Kammer-Präsidium, Bauunternehmer Anton Rieder ist kooptiert.
Und Barbara Thaler? Ihre unternehmerische Expertise kann man auf einen Blick überprüfen, indem man die Website ihres Unternehmens anklickt: www.digithaler.info. Ich wage – als Online-Unternehmer – aus der Ferne eine Prognose: Von dieser Agentur kann die Frau Präsidentin eher nicht leben. Und vor allem deutet nichts darauf hin, dass sie überhaupt noch als selbstständige Online-Beraterin tätig ist.
Sie muss es auch nicht. Vor ihrer aktuellen Rolle saß Thaler ab 2019 für die ÖVP im Europaparlament. Mit einem ähnlich hohen Gehalt (Europaparlamentarier verdienen aktuell knapp 11.000 Euro brutto). Nun predigt sie landauf, landab: „Leistung muss sich wieder lohnen“.
Thaler ist offenbar keine Unternehmerin mehr, sondern längst Berufspolitikerin. Sie bezieht eine stattliche Entschädigung für einen politisch definierten Posten, den ihr der ÖVP-Wirtschaftsbund als Alleinherrscher in der Kammer zugewiesen hat. Das prägt ihre Auftritte, macht sie abhängig von ihren politischen Ziehvätern – darunter Franz Hörl – und begrenzt gravierend ihren Handlungsspielraum. Ein falsches Wort und Barbara Thaler muss wieder Facebook-Auftritte an nicht namentlich genannte Kleinkunden verkaufen.
Und so wird die Frage nach der mit mehr als 120.000 Euro im Jahr belohnten Leistung wohl nicht mit einer Aufzählung von konkreten Erfolgen beantwortet, sondern eher mit einer Gegenfrage: „Wovon soll ich sonst leben?“
7 Postings
besonders interessant: thaler regt sich über mahrers vorgehen, die gehaltserhöhungen auf 4,2 % zu setzen ganz fürchterlich auf .... setzt sich aber quasi selbst gleich fast 50% erhöhung auf. wieviel schweinerei muss eigentlich noch passieren dass endlich etwas PASSIERT??
Wenn es nicht die Medien, in welcher Form auch immer, geben würde, wären wir nur "Nichtwisser". Schlecht für die Demokratie!
Ein sehr interessanter Beitrag. Danke.
Grundsätzlich bin ich dafür, dass sämtliche Bezirksstellen der WKÖ aufgelassen werden. Die braucht niemand.
Wer ausschließlich von Kammergeldern lebt, kann schwer glaubhaft die Anliegen jener vertreten, die ihre Beiträge Monat für Monat erwirtschaften müssen. Es ist das System, das sich selbst versorgt, statt die Leistungsträger zu entlasten. Wenn politische Loyalität wichtiger wird als wirtschaftliche Erfahrung, verliert die Kammer ihre Legitimation als Stimme der Unternehmer. Es braucht Vertreter die wissen, was Risiko, Verantwortung und unternehmerischer Alltag wirklich bedeuten.
Die monatliche Aufwandsentschädigung der Wirtschaftskammer für Frau Hysek-Unterweger ist wirklich mikrig. Gut, dass sie als Vize-Chefin des Aufsichtsrates der TIWAG ein Zusatzeinkommen erhält.
Bei den männlichen Osttiroler Politikern mit vielen Jobs und Einkommen hat bzw. regt sich kaum jemand auf. Gleiches Recht für alle!
Alles, was ich von der ÖVP und ihren "Granden" halte kann ich nicht mit Worten hier wiedergeben. Ein Gerichtstermin mit anschließender Verwahrung im Ziegelstadel wären mir sicher. Ein unanständiges Wort sei mir erlaubt: Es ist zum Kotzen.
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