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Die Realität holt einen Rechenkünstler ein

Andreas Kölls Schuldenpolitik hat Innsbruck aufgeweckt. Ein Kommentar.

Andreas Köll ist ein exzellenter Zahlenjongleur. Hat er zu viele Bälle in die Luft geworfen? Foto: Brunner Images
Der tägliche "Aufmacher" der Tiroler Tageszeitung hat im Land Gewicht. Heute  waren die Schulden der Gemeinde Matrei das Thema. Das ist ein Indiz. Was vor Ort schon kein Geheimnis mehr ist, hat ab sofort auch die Nordtiroler Öffentlichkeit erreicht und damit die Landespolitik. Ob sie es will oder nicht. Wegschauen geht nicht mehr. Mitte Dezember 2010 war das noch anders. Damals ritt der Lienzer Stadtrat Christian Zanon eine Attacke gegen den Matreier Bürgermeister Andreas Köll und sprach in Zusammenhang mit touristischen Vorhaben von einem "aus Richtung Matrei kommenden Größenwahn".  Kaum jemand schenkte ihm Beachtung. Ende Dezember lud dann Grünpolitiker Sepp Brugger zu einem Pressegespräch, in dem er genau jenen Matreier Budgetwahnsinn kritisierte, der jetzt Schlagzeilen macht: die Verschleierung der enormen Gemeindeschulden durch "Auslagerung" an den Abwasserverband. Brugger legte alle Zahlen auf den Tisch. Reaktionen aus Nordtirol blieben damals aus. Jetzt spüren sensible Beobachter eine Veränderung der politischen Großwetterlage rund um den Machtpolitiker Köll. Nur noch mit enormer Kraftanstrengung gelang es dem Rechenkünstler, das kleinere seiner Schuldenprobleme unter der Decke zu halten: der Tourismusverband Hohe Tauern ist nicht mehr in der Lage, seine Darlehen zu bedienen. Was öffentlich als Krise des Gesamtverbandes dargestellt wurde, war hinter den Kulissen ein beinharter Poker um Umschuldungen und Unterstützungszahlungen für die schwer angeschlagene Nationalparkregion, die vor allem durch Andreas Kölls Vorliebe für Großprojekte der Marke Schultz in tiefrote Zahlen rutschte. Vor einer Woche durchleuchtete schließlich Oppositionsführer Oswald Steiner von der Matreier Liste den doppelten Boden des aktuellen Gemeindebudgets. Keine Rede von "Überschuss", wie offiziell dargestellt. Im Gegenteil. Zehnmal mehr Pro-Kopf-Verschuldung als Lienz müssen die Matreier de facto auf ihre Schultern nehmen, mehr als 8.000 Euro pro Gemeindebürger, insgesamt circa 40 Mio Euro. Mehr als die Hälfte davon sind "ausgelagert", um Millionen ist das Bankkonto der Gemeinde überzogen – all das steht nicht im offiziellen Budget. Gerade erst war Landeshauptmann Günther Platter in Osttirol, kurz vor ihm der mächtige Tourismus-Abteilungsleiter Gerhard Föger. Beide lesen heute als Titelstory der wichtigsten Tageszeitung des Landes, was sie längst aus dem Mund von Osttiroler Politikern, Wirtschaftstreibenden und Touristikern vernommen haben: Andreas Köll hat sein Budget nicht mehr unter Kontrolle, auch wenn er das Gegenteil behauptet und vielleicht sogar persönlich davon überzeugt ist. Mit immer kühneren Konstruktionen, immer trickreicheren Umschuldungen und Vorgriffen auf künftige Einnahmequellen – die vielfach ungesichert sind – wird die Tatsache verdrängt, dass Matrei am Rand der Pleite ist. Diese Realität wird auch den Rechenkünstler Andreas Köll einholen. Erste Indizien dafür gibt es bereits.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

3 Postings

hoidanoi
vor 13 Jahren

Wegschauen ist eine große Kunst, besonders wenn der Hut brennt. Aber Günther Platters Partei ist ja an Sauberkeit nicht zu überbieten. Da macht es sich dann auch schlecht, wenn Günther Platters bündischer AAB Landesvorsitzender im übrigen das Lehen, das dem Vogt Köll für seine Dienste als Steigbügelhalter und langjähriger Anti-Van Staa Lobbyist verliehen wurde - so schlimme Sachen wie zweckfremde Mittelverwendung nachgewiesen würde. Die Schulden wären für Platter wahrscheinlich nicht das eigentliche Problem. Bei der üblichen Argumentationslinie, lange unter Wolfi Schüssel eingeübt und zusammen mit Lissi Gehrer und Günther Platter an der Gitarre auf der Parteiakademie im Cohrgesang eingeübt, ist für die so oder so irgendwie Bruno Kreisky verantwortlich. Beruhigend wäre zu wissen, das Andreas Köll niemandem damit schaden wollte, als er Tourimus- wie Nationalparks, Gemeinde- wie Landesgelder auf recht eigenwillige Art zum Einsatz gebracht hat. Immer höchst vertrauensvoll vom TVB-Köll zum Bgm.-Köll, vom LAbg. Köll zum Bgm. Köll, ein durchaus geschlossener Kreis. Vor allem wollte er sich damit nutzen, seine Basis als Bgm. in Matrei ausbauen, von wo aus er noch mehr erreichen wollte. Für sich. Günther Platter sollte wissen wollen, was los ist. Der Schaden ist da, und groß, für Matrei, für Osttirol, auch für die ÖVP. Stellt sich die Frage, was Günther Platter wirklich wichtig ist.

 
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Kurt
vor 13 Jahren

Da hilft nur eines : Die Fusion des Abwasserverbandes Hohe Tauern mit den anderen Abwasserverbänden des Bezirks. Am besten ohne Fusionsvertrag. Dann kann das Geld - frei nach unserem Tourismushofrat Föger - in ganz Osttirol ohne hinderliche Grenzen zirkulieren.Und Hokuspokus sind die Matreier Schulden im Bezirk aufgegangen und alle zahlen kräftig mit. Vielleicht begreifen jetzt ein paar leichter worum es bei Fusionen geht und dass das Pochen auf das Einhalten von Verträgen die aus gutem Grund geschlossen wurden kein unfaires Kirchturmdenken ist sondern das Gegenteil : Jeder soll den Rucksack den er selbst gepackt hat auch selber tragen und nicht den anderen aufhalsen.

 
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Detektor
vor 13 Jahren

Den Herrn Köll wird nicht einmal die TIWAG retten können, die ein Kraftwerksprojekt am Tauernbach realisieren soll, um Vorwände für Rettungsgelder an Kölls Budget zu haben: Auch eine solche ungesicherte Einnahmequelle, mit der Köll nach eigener Aussage rechnet. Ein Sommerkraftwerk am Tauernbach ist ja stromwirtschaftlich paradox: gerade im Winter kein Strom, wenn am meisten gebraucht wird. Dafür ist Matreis Landschaft mit der herrlichen Prosseggklamm zu schade.

 
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