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Nicht überall, wo ÖVP drin ist, steht auch ÖVP drauf. Auch darüber sollten die Parteistrategen nachdenken. Foto: Brunner Images

Nicht überall, wo ÖVP drin ist, steht auch ÖVP drauf. Auch darüber sollten die Parteistrategen nachdenken. Foto: Brunner Images

Die ÖVP als Opposition? Das kann spannend werden

Die neue Rolle ist eine Chance für Stadt und Partei. Ein Kommentar.

Als im Februar 2011 Elisabeth Blanik mit einem fulminanten Sieg Hannes Hibler in die politische Versenkung schickte, begann für die ÖVP in der Stadt ein politisches Zwitterdasein, aus dessen Zweideutigkeit sich die Partei eine ganze Legislaturperiode lang nicht lösen konnte. Da war plötzlich der Kopf weg und eine SPÖ-Bürgermeisterin auf dem Chefsessel, was vor allem Meinhard Pargger, Christian Zanon und Stephan Tagger, Hiblers treue Musketiere, in eine seltsame Rolle drängte. Sie fühlten sich irgendwie als Oppositionelle, ohne in Opposition zu sein. De facto regiert die Stadt, wer die absolute Mehrheit im Stadtparlament und in der Stadtregierung stellt. Das war in den vergangenen sechs Jahren die ÖVP. Sie hatte fast die ganze Macht und spielte dennoch nicht die erste Geige, war plötzlich nicht Fisch und nicht Fleisch, nicht Regierung und nicht Opposition. Das ist aus der Sicht des politischen Marketings eine Zwickmühle, aus der man fast nur als Verlierer aussteigen kann. Das kommunale Rollenspiel will es, dass zwar der Gemeinderat entscheidet, die Zentralfigur der Politikformulierung und Kommunikation aber die Bürgermeisterin ist. Ein klassisches Dilemma. Ist die Mehrheitsfraktion produktiv, sackt die Bürgermeisterin den Applaus ein. Sie hat das Privileg der Verkündung politischer Frohbotschaften. Schaltet die Mehrheit auf stur oder in den Alleingang, gibt´s erst recht Ohrfeigen, wie beim Kauf des Egger-Lienz-Bildes. Eine Bürgermeisterin, die nur exekutiert, was man selbst mitentschieden hat, kann man schwer attackieren, ohne sich ins eigene Fleisch zu schneiden. Nicht die „Abgehobenheit“, sondern diese politische Zwitterrolle war für die Niederlage der ÖVP am 28. Februar 2016 verantwortlich. Wenn man der historischen Niederlage der Schwarzen in Lienz aus deren Sicht etwas Positives abgewinnen will, dann ist es die Zuweisung einer neuen, jetzt eindeutigen Rolle: jener der starken Opposition. Es ist eine für die Machtpartei ÖVP sehr ungewohnte Rolle, die aber auch ihren Reiz hat, wie schon der erste Auftritt des neuen Führungsduos zeigte. Plötzlich konnten Alexander Kröll und Hildegard Goller ganz locker fordern, dass die Stadt ein paar Millionen in die Hand nehmen und das Kaufhausareal ersteigern soll. Noch vor einem Monat hätte die ÖVP eine solche Entscheidung mit absoluter Mehrheit auch absolut verantworten müssen. Jetzt kann man lustig aus der Deckung ballern, ohne selbst den Kopf hinzuhalten. Das eröffnet ganz neue Perspektiven. Mag der Bürgermeisterbonus noch so wertvoll sein, das Privileg der Opposition ist es, Populäres zu fordern, ohne dessen Machbarkeit im Detail nachzuweisen. Die Lienzer ÖVP verfügt zudem über einen nach wie vor vorhandenen Know-how-Vorsprung, der nicht zu unterschätzen ist. Wer so lange an der Macht war und so gut vernetzt ist, wie die Schwarzen, der kann auch sachpolitisch manchen Überraschungscoup landen, der die nun de facto regierende Rot-Grün-Koalition ins Schwitzen bringt. Die ÖVP, oder ihr nahestehende Gruppen, dominieren klar in allen Kammern und Verbänden. Auch die Stadtbeamten wurden in der großen Mehrheit zu Zeiten angestellt, als ein VP-Parteibuch noch seinen Wert beim Vorstellungsgespräch hatte. Aus diesem Informations- und Machtgefüge heraus kann eine starke Opposition beachtliche Ressourcen für profilierte, mutige und kreative Arbeit im Gemeinderat und den Ausschüssen schöpfen. Wenn Hildegard Goller und Alexander Kröll mit ihrem Team dieses Potenzial nutzen können, dann ist das eine Chance für die Stadt und die Partei. Dann darf nicht nur über das Kaufhaus endlich wieder offen und kontroversiell diskutiert werden, sondern auch über andere vitale Themen wie beispielsweise die Schul-Modellregion. Die Identitätskrise der ÖVP-Lienz hat ein Ende. Die Rollen sind verteilt. Jetzt gilt es, aus der scheinbaren Nebenrolle einen kraftvollen parlamentarischen Neubeginn zu machen. Das ist eine Chance für die Stadt und die ÖVP.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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Elisabeth Blanik pulverisiert ÖVP in Lienz

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5 Postings

Osttirol
vor 8 Jahren

Liebe Leute! Leider hat die ÖVP einige Fehler im Wahlkampf gemacht und deswegen muss Sie jetzt die neue Rolle. Wenn die ÖVP nicht wäre gebe es wahrscheinlich keine Rutsche im Dolomitenbad in der Halle. Von der Sache hat man nichts gehört im Wahlkampf so kann man nur die Wahl verlieren Ciao Osttirol

 
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Bessawissa
vor 8 Jahren

Als "Parteisoldat" schreibe ich nicht, wie Sie, Herr horstmann, fälschlich annnehmen. Heute Abend wird es spannend. Mal sehen , wie sich das Wahlergebnis in den Ausschüssen niederschlägt. Fest steht, dass Frau Blaniks "Wahlhelfer" belohnt werden, um sich das Wohlwollen auch künftig zu sichern. Die eigene Personaldecke wäre ohnehin zu dünn.

Für die ÖVP-Fraktion ist die neue Situation kein Malheur. Sie kann sich neu definieren und die "Rückholaktion" der an die SPÖ-Fraktion gewanderten "Leihstimmen" starten. Der Unterschied für den Gemeinderat betrug lediglich 554 Stimmen. Mit Frau Hildegard Goller und ihrem Team, hat Frau Blanik echte Konkurrenz bekommen. Die frauliche Alleinherrschaft - mit süßen Ferrero-Küsschen - ist vorbei! Dagegen hatte ein Mann, mit ausgezeichnet schmeckender Holunder-Marmelade aus Osttirol (ich hätte statt schwarz freundlichere Marille gewählt) keine Chance. Mit kluger, konstruktiver Politik kann aus der Nummer ZWEI bei der nächsten Wahl die Nummer EINS als Vizebürgermeisterin werden.

Posten sind mir nicht das Wichtigste. Sie sind eher ein Signal nach außen. Zu wünschen ist , dass endlich in den "heißen" Fragen in und um Lienz - nachzulesen in den Wahlprogrammen - endlich etwas weitergeht. Die Entscheidungen werden unsere Sonnenstadt auf Jahrzehnte hinaus prägen.

 
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horstmann
vor 8 Jahren

Kaum sind die Wahlen vorbei sind auch die ganzen Parteisoldaten wieder aus den Foren verschwunden. Schade eigentlich, war immer eine recht anregenede Diskussion. Sehr, sehr guter Kommentar übrigens wieder von Gerhard Pirkner. Die ÖVP hat jetzt die einmalige Chance der Bürgermeisterin so richtig unangenehm zu werden. Aber das müssen schon andere Themen sein als von der Stadt bezahlte Schlipfkrapfenrechnungen vom Herrn Bundespräsidenten. Mit unangehmen werden meine allerdings nicht alles zu blockieren und damit der Stadt zu schaden. Es ist an der Zeit die Frau Blanik einfach mal auflaufen zu lassen. Sie wird mit Sicherheit Fehler machen und diese gilt es aufzuzeigen. Es ist jetzt die perfekte Gelegenheit, zu verlieren gibt's sowieso nicht mehr viel.

 
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    Franz Brugger
    vor 8 Jahren

    Warum sollte man nicht vorerst versuchen, Zusammenarbeiten? Ist es notwendig, sinnvoll gleich "auflaufenzulassen"? Solch ein Verhalten würde man ja dann nur wieder als "Ewig Beleidigt Sein" der ÖVP empfinden.

    Ich schätze da Frau Goller, geprägt von Ihrer sozialen Arbeit als zu klug ein, diesen Rat generell als Strategie zu übernehmen.

     
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    Blitz.Donner
    vor 8 Jahren

    so ist es "fb"!!!! Bin bei dir!!!! Bin neugierig, ob Fr. Remler und Steininger tatsächlich wieder auftauchen, oder ob man tatsächlich mit neuem Team an die Arbeit geht, deren es wirklich genug gibt.

     
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