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Dieter Remler und die Erkenntnis, dass wir gefangen sind

Der Performancekünstler verfremdet die Realität und macht sie dadurch sichtbar.

Permanente Reizüberflutung stumpft ab. Wer einem Stakkato an Sinneseindrücken ausgesetzt ist, nimmt kaum noch bewusst wahr. Unsere Konsumgesellschaft reagiert darauf mit noch mehr Reizen, noch lauterem Geschrei, noch mehr Möglichkeiten, permanent Botschaften zu senden und zu empfangen. Das Ergebnis ist fatal. Wir verlieren Sinn und Sinnlichkeit. Dieter Remler macht sich diese Tatsache bei seinen Performances zu Nutze und macht die Reduktion zur Kunst. Er zwingt uns, aus- und abzuschalten. Rede- und Handyverbot bei der Performance – durch das Verstummen werden die Besucher Teil der Aktion.

Wie schon bei seiner ersten Reduktionsperformance 2011 in den Iseltaler Wäldern setzte der Künstler auch am 21. April in der historischen Tamerburg vor allem die Stille als effiziente Methode zur Bewusstseinschärfung ein. Still sein und werden, das macht hellhörig und öffnet den Geist. Man hört nicht nur mehr, sondern sieht auch anders. Zum Beispiel die durch Plastikfolien der Realität entrückten Gestalten, die gebannt auf ihre Handys starren, gefangen in einer virtuellen Welt, selbst bei den banalsten Verrichtungen des Alltags und bis in den Tod.

Remler schafft in seiner Aktionskunst keine zweideutigen Bilder. Man sieht sofort, was er meint, erkennt die Botschaft und stimmt ihr auch zu. Dennoch gibt es etwas Irritierendes, einen Hauch von Unwohlsein, man fühlt sich irgendwie ertappt und zugleich auch angeregt zur feineren Wahrnehmung, zur Beschäftigung mit Bildern und akustischen Reizen, die in der Tamerburg von bekannten Musikern live erzeugt wurden. Wenn der Meister dann am Ende selbst aktiv wird, zur Farbe greift und vor den Augen der Betrachter buchstäblich ein Bild auf die Leinwand wirft, dann ist das wie eine Befreiung aus der beklemmenden Erkenntnis, dass wir gefangen sind.

Slideshow: Brunner Images

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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