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Konrad Kreuzer (links) und Hermann Kuenz sind trotz „Kuh-Urteil“ guter Dinge. Verglichen mit den klassischen Bergunfällen sind jene mit Weidetieren äußerst selten. Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Konrad Kreuzer (links) und Hermann Kuenz sind trotz „Kuh-Urteil“ guter Dinge. Verglichen mit den klassischen Bergunfällen sind jene mit Weidetieren äußerst selten. Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Kuh-Urteil: Auf den Schreck folgt die Diskussion

Haftung und Eigenverantwortung als zentrale Themen. Weide geht vor Freizeit.

Nicht nur der Alpenforscher Werner Bätzing betont immer wieder, dass jene Landschaft, in der viele von uns bevorzugt ihre Freizeit verbringen – auf Bikes, auf Tourenskiern oder einfach zu Fuß – keine ursprüngliche Naturlandschaft ist, sondern eine von Menschenhand geformte alpine Kulturlandschaft, der vor allem ein Wirtschaftszweig seinen Stempel aufdrückt: die Almwirtschaft der Bergbauern. Allein in Osttirol gibt es 500 Almen, auf die über den Sommer – neben tausenden Schafen und Ziegen – rund 14.000 Kühe aufgetrieben werden. Schon aufgrund dieser Größenordnungen sei der Bezirk vom aktuellen Urteil zur tödlichen Kuhattacke im Jahr 2014 besonders betroffen, erklärten Hermann Kuenz, ÖVP-Landtagsabgeordneter und Konrad Kreuzer, Obmann der Osttiroler Landwirtschaftskammer, bei einem Pressegespräch am 1. März. Beide gaben sich dennoch betont unaufgeregt und grundsätzlich. Die Statistik zeige, dass von 100.000 Unfällen in Österreichs Bergen nur rund 50 im Zusammenhang mit Weidetieren stehen. Auch deshalb gibt man sich gelassen.

Kuenz, der beim runden Tisch in Innsbruck dabei war, hält das Urteil aufgrund der Höhe der Entschädigung und der Alleinschuld des Tierhalters dennoch für potenziell richtungsweisend. Deshalb habe sich die prominente Runde einerseits mit Haftungsfragen, andererseits mit gesetzlichen Rahmenbedingungen beschäftigt. Schon jetzt seien 99 Prozent der Bauern gut versichert und selbst im Fall von Fahrlässigkeit nicht vom Ruin bedroht. Das Land will aber dennoch eine zusätzliche Absicherung. Vor allem bei Gemeinschaftsalmen könnten deren Obleute oder auch Hirten in die Pflicht genommen werden. Für sie bestehe aktuell oft kein Haftpflichtschutz.

Differenziert sehen Kuenz und Kreuzer den Ruf nach juristischen Neuregelungen. Kuenz verweist auf gesetzliche Rahmenbedingungen für Wegehalter in Berggebieten, die in bestimmten Situationen einen Teil der Verantwortung auch beim Nutzer sehen. Diese Betonung der Eigenverantwortung will man auch beim Umgang mit Weidevieh. Zäune seien jedenfalls keine machbare Alternative. Statt auf neue Verbote setze man lieber auf Aufklärung, auch in der kritischen „Problematik Hund“. Ein generelles Hundeverbot auf den Almen im Tourismusland Tirol ist offenbar kein Thema, allerdings haben sich laut Kuenz auch die Tourismusvertreter am Runden Tisch zur Maxime bekannt, dass im Almgebiet „die Weide Vorrang vor der Freizeitnutzung hat“.
Eine Maxime soll in Tirols Bergen auf jeden Fall gelten: Die Weidetier-Haltung hat Vorrang vor der Freizeitnutzung. Foto: Ramona Waldner
Beide Nutzungen kollidieren immer öfter, was Konrad Kreuzer nicht nur auf eine starke Zunahme der Freizeitsportler und Touristen in den Berggebieten zurückführt, sondern auch auf Veränderungen in der Landwirtschaft selbst. Durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – es gibt immer mehr Nebenerwerbsbauern – habe die Mutterkuhhaltung in den vergangenen zwanzig Jahren stark zugenommen. In Osttirol halten 70 Prozent der Bauern Mutterkühe, die im Jahr ein bis zwei Kälber aufziehen, im Stall und auf der Weide. Im Alter von vier bis fünf Monaten wird das Kalb verkauft. Auf die Alm werden Kälber in unseren Breiten eher selten mitgenommen. Wenn doch, sei tatsächlich Vorsicht geboten, erklärt Kreuzer. Mutterkühe empfinden nicht nur Hunde als Bedrohung. Was sich rasch bewegt irritiert die Tiere, also beispielsweise auch Downhill-Biker. Zehn bis 15 der insgesamt rund 1500 Osttiroler Bauern hätten nach Bekanntwerden des „Kuh-Urteils“ bei der Landwirtschaftskammer vorgesprochen, erzählt deren Obmann. Almen sind Privatbesitz, dennoch rechnet Kreuzer nicht mit Betretungsverboten durch Grundbesitzer, zumal für beliebte Wanderwege ein ersessenes Wegerecht bestehen könnte und nicht geklärt sei, wie so ein Verbot exekutiert wird.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

7 Postings

Bergziege
vor 5 Jahren

Die Almlandschaft ist nicht eine von Menschenhand "gemachte" sondern von Menschenhand GEPFLEGTE Landschaft. Der liebe Herr "Experte" soll sich doch einmal nur eine Woche lang auf die steilen Bergwiesen begeben, beim Mähen und Ernten helfen und sich dann ein Bild machen. Ich finde es erschreckend, wie über die Bauern bestimmt wird und wie chancenarm sie sind, wenn sie sich versuchen zu wehren (...das hab ich erfahren müssen, wenn sich Bauern wehren, weil Obmänner und Touristiker ohne Einwilligung von Bauern Mountai- und E-Bikewege freigeben und bewerben...und das schon vor dem Kuh-Attacken-Urteil). ...und noch etwas wird in dieser Diskussion nie erwähnt: Bekämen die Bauern angemessene PREISE für ihre Produkte aus Milch, dann wären diese nicht gezwungen, auf Mutterkuhhaltung umzusteigen. Die Almen sind seit Jahrhunderten Besitz der Bauern und jeder sollte dankbar sein, dass er diesen Privatbesitz mitnutzen darf und sich dementsprechend RESPEKTVOLL DEN BAUERN GEGENÜBER VERHALTEN!

 
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    senf
    vor 5 Jahren

    bergziege: man muß nicht bätzing heissen oder oder sich experte nennen um zu wissen, dass die almlandschaft vom menschen gemacht wurde, um nutzbares land zu gewinnen und zu überleben. heute werden vielen der ehemals naturnah gestalteten almen aus wirtschaftlichen sachzwängen modernisiert und in gunstlagen intensiviert. schwere maschinen machen auch auf vielerorts almböden und sensiblen gewässerbereichen nicht halt und so manches almgebäude wird zur ertragssteigerung zweckentfremdet.

    ich habe damit kein problem, behaupte aber, dass der bauer die almlandschaft nicht pflegt, sondern bearbeitet um erträge zu erwirtschaften. das oft und gerne zitierte und strapazierte wort "landschaftspflege" nehmen in erster linie bauernvertreter in den mund, um öffentlichkeitverständnis bis nach brüssel für agraranliegen zu erwirken, der tourismus dient als handlanger.

    landwirtschaft und tourismus hier in den alpen sind kein gegensatz, beide provitieren voneinander, wechselseitiger respekt ist jedoch angebracht. überzogene forderungen sind fehl am platz und schaden beiden. allerdings ist anzumerken, dass es sich so mancher tourismusverantwortlischer zu leicht macht. vor allem auch hier in osttirol. das medienwirksame urteil im tragischen fall der urlauberin liefert anstoß genug, um wachzuwerden und zu handeln.

    für die von ihnen angesprochene marktsituation mit dem milchpreis führe ich auf unfähigkeit der agrarwirtschaft, genossenschaften und der nahrungsindustrie zurück. ein problem muss im ursprungsbereich und nicht im wirkungsbereich bekämpft werden. viehwirtschaft sollte in der heutigen zeit überwiegend im gebirge stattfinden und ackerbau in den klimatisch begünstigten ebenen. ich darf mir das ja wünschen, oder?

     
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      Bergziege
      vor 5 Jahren

      Danke Senf, für deine Ausführungen, ich muss dir leider in einigen Dingen zustimmen. Aber deine Ausführungen zeigen einmal mehr, dass man nur verstehen kann, wenn man selbst die Arbeit als Bauer kennt! Die Gesetze der Wirtschaft und Lebensmittelindustrie machen leider nicht jene, welche die Produkte herstellen, sondern solche, die von dieser harten Arbeit oft nichts verstehen und - wie du richtig ausgeführt hast - lediglich auf Profit aus sind.

      Das hat aber alles nichts damit zu tun, dass Almen BESITZ der Bauern sind und dass es dies zu würdigen gilt!

       
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      senf
      vor 5 Jahren

      ja, herzhafte bergziege@, die öffentlichkeit würdigt und respektiert sehr wohl bäuerliches almeigentum und die leistungen, darf aber schon anmerken, das das almleben heute bei weitem nicht in diesem ausmaß stattfinden könnte, wenn der steuerzahler nicht millionen für erschließungen sonstige alminfrastruktur bereitgestellt hätte und heute noch für bewirtschaftungsprämien zahlen würde. ich sag das eigentlich nicht gerne, weil damit eine diskussion mit unendlich sinnlosen vergleichen losgetreten wird.

      deshalb noch einmal mein oben vermerkter satz: landwirtschaft und tourismus hier in den alpen sind kein gegensatz, beide profitieren voneinander, wechselseitiger respekt ist jedoch angebracht.

      im übrigen verweis ich auf die klarstellung und die hintergrundinformation des anwaltes der klagspartei in der heutigen kleinen zeitung. interessant!

      ps: freuen wir uns auf den almsommer

       
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      baur.peter
      vor 5 Jahren

      @senf: in wie fern sind die ausführungen des anwalts im zeitungsartikel interessant? ehrlich gesagt, für mich sind diese aussagen eher verstörend. aber der reihe nach: der bauer hätte auf grund seines wissens davon ausgehen müssen, das es zu konflikten kommen könnte, ergo abzäunen. frage: wieso hat die staatsanwaltschaft diese grobe fahrlässigkeit nicht beanstandet? weiters: ein abzäunen im steilen gelände erachtet der richter als nicht notwendig frage: ist die hangneigung jetzt ausschlagebend, oder die frequenz der benutzung? nächste frage: wie hätte lh platter druck auf die versicherung ausüben sollen, damit diese in leistung tritt? dazu hätte das urteil in rechtskraft treten müssen. die gewaltenteilung wird der herr anwalt doch nicht in frage stellen wollen? ein zwielichtiger geselle dieser anwalt, vermutlich riecht er hier ein lukratives geschäftsmodel

      im großen und ganzen, eine verstrickte gschicht, wenn man sich das an beispielen hier bei uns so durchdenkt.

      achja und zur grundaussage des anwalts: nicht nur der getötete mensch zählt zu den opfern in diesem fall.

       
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chiller336
vor 5 Jahren

ungeheure aussagen .... allein deshalb gibt man sich gelassen .... dass damit die existenz eines landwirtes am spiel steht, wird ja da schon fast als lächerlich dargestellt. aber is klar, solangs einen nicht selber betrifft, isses ja so leicht dahergesagt .... aber is auch wieder klar, im einen fall sinds ja nur äpfel, die einem am kopf fallen können. und solche worte von bauernvertretern - bauern ihr solltets euch gut überlegen, wen ihr als eure sprecher wählts

 
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    hoerzuOT
    vor 5 Jahren

    Ja. Es ist wahrlich traurig. Es muss alles getan werden, damit die Bauern weiterhin die Kühe auf die Alm bringen und diese dort ihr Leben in saftigen Bergwiesen genießen können. Es wäre ein unfassbarer Schaden für Bauern, Tiere und Landschaft, wäre das nicht mehr möglich. Bin selbst ein begeisterter Wanderer, aber nicht auf Kosten derer, die schon lange vor mir auf den Almen waren. Nach wie vor gilt: So tragisch der Vorfall auch zweifelsohne war, so hat das zuständige Gericht mit seinem Urteil, für mein Empfinden, doch weit über die Ziellinie hinausgeschossen.

     
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