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Maria Bußmann in ihrem Wiener Atelier. Foto: Expo/Michael Gruber

Maria Bußmann in ihrem Wiener Atelier. Foto: Expo/Michael Gruber

Wie man denkt und was man sieht

Maria Bußmanns subtile Objekte und Zeichnungen sind verwoben mit grundlegenden Fragen der Philosophie und faszinierten auch Bruno Gironcoli.

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen - oder zeichnen. Maria Bußmann schöpft viele ihrer Themen aus der Philosophie, dem Fach, in dem sie 1999 promovierte: Ludwig Wittgenstein, Maurice Merleau Ponty, Baruh de Spinoza oder Hannah Arendt, deren Texte sie mit dem Kinderspielzeug ihrer Tochter Lucy konfrontiert, inspirierten sie zu mehrere hundert Blätter umfassenden Werkzyklen. Die gebürtige Würzburgerin lebt in Wien und ist dort Lehrbeauftragte an der Hochschule für angewandte Kunst. Und sie erhielt 2002 als erste Künstlerin das Erwin-Schrödinger-Wissenschaftsstipendium für die New Yorker Universität Stony Brook.

Maria Bußmann studierte zunächst bei Hans Peter Reuter in Nürnberg und 1989/90 auch bei Arnulf Rainer in Wien, wo sie - Zufall oder Fügung? - Bruno Gironcoli begegnete. Eine jahrzehntelange Freundschaft verband die nur auf den ersten Blick so gegensätzlichen Charaktere, den monumentalen Kraftprotz mit der verletzlichen Seele und die unglaubliche sensible Kleinplastikerin und Zeichnerin mit dem analytischen Verstand. "Um Gegenentwürfe und neue Praktiken entwickeln zu können ist es gut, die Bedeutung weiblicher Schrift und Sprache sowie die Traditionen männlicher Ideologien im Spiegel der feministischen Theorien zu kennen." Das Anliegen von Bußmanns Lehrveranstaltung im Wintersemester 2019/2020 könnte auch ein Schlüssel zum tieferen Verständnis beider Werke sein, in denen sich Phantastisches mit Kritisch-Rationalem, Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod und Poesie mit Witz verbinden.

Maushotelbett von Maria Bußmann. Foto: Bußmann

Bruno Gironcoli schrieb über die Künstlerin: 

Ich habe Maria Bussmann hier in der Bildhauerschule das erste Mal vor rund zehn Jahren getroffen und sie zeigte mir ein paar skulpturale Arbeiten, deren Syntax mir wirklich interessant erschien. Es waren dies aus einfachsten Materialsorten kombinierte und in ungewöhnlichen Materialqualitäten gefertigte Ausdrucksversuche im Mini-Themenbereich. Es waren da zu finden: ein kleines Bett für eine Maus, eben groß genug für eine Zimmermaus, der menschlichen Vorstellung, wie ein Bett auszusehen hat, trefflich abgerungen, aber aus dünnen Messingröhrchen gebogen. Das Plumeau für die Maus waren eingenähte Papier-Daunen. Das Bett der Maus wurde übertroffen von einem in normaler Löt-Arbeit gefertigten Fußballstadion. Das Stadion wurde übertroffen von einem Wettkampf-Schwimmbecken mit vier Bahnen und aus Papier und Pappdeckel ausgeschnittenen rosarot angestrichenen Kampfschwimmern, jeder seine Bahn ziehend.

Alles Arbeiten, die von so interessanter Materialwahl geprägt ihr formales Dasein einnahmen, dass man den Eindruck absoluter Selbständigkeit der Objekte hat.

Auf meine Frage, ob denn solche Arbeiten technische Zeichnungen voraussetzten, habe ich später von Bußmann Zeichnungen zu sehen bekommen, die wohl ganz interessant waren, doch keine Werksunterlage zu den bildhauerischen Arbeiten abgegeben haben. Die Qualität dieser Blätter war ihre selbständige grafische Ausführung.

Es gab in ihnen zwei Formen einer grafischen Strategie: Einmal zeigte sich Bußmann als die Sucherin ihrer persönlichen Daten und Qualitäten, in der zeichnerischen Gattung von Cartoons in weiblicher Ausschmückung, die zweite Art, ihre Zeichnungen zu gestalten, war eine strukturschaffende Zeichenform, eine Strukturqualität neben eine andere Strukturqualität stellend, entweder in formaler Zwietracht oder Eintracht. In dieser Form der strategisch verwendeten Schraffierung entstanden Zeichnungen (Formaufgaben) recht weit reichender Formgebungen. Und wo die Blätter in dieser Form-Aufgabe zur Ausführung kamen, schien mir deren Struktur an sich bereits genügend zeichnerische Qualität zu bergen, die – würde sie für sich allein genommen – ein Werk schaffen könnte, das malerisch und grafisch sich selbst trägt.

Leider war damals, vor zehn Jahren, Maria Bußmann nicht der Meinung, dass solches genügen könnte, ihre Selbstdarstellung als ein Abzeichnen in Schablone innerhalb der Schablonenwelt waren ihr da zu wichtig.

In neuerlich von ihr gestalteten grafischen Blättern konnte ich plötzlich jene Symbiose, von der ich träumte, eine Verbindung von Strukturelementen mit persönlichen Daten und Ausdruckswünschen sehen. Diese Blätter, die sie aus New York mitbrachte, waren differenziert, sensibel, reich gestaltet – gespeist durch persönliche Mythologie, durch Philosophisches und diese Daten waren grafisch erfasste und strukturell gefiltert wiedergegeben. Eine Verbindung war hergestellt. Diese Strukturen werden ja hochinteressant – wenn es Maria Bußmann gelingt, Persönliches in sie hineinzuschaukeln, dann hat sie gewonnen.

Bruno Gironcoli (1936 - 2010), Bildhauer, Leiter der Bildhauerschule der Akademie der bildenden Künste in Wien von 1977 bis 2004.

Coneyisland, Maria Bußmann

Maria Bußmann im Dolomitenstadt-Artshop.

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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