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Drama in zwei Akten an der Fassade der Lienzer Liebburg

Wie spannend Kunst sein kann zeigen Clemens Erlsbacher und Maria Bussmann.

24 Tage hat jeder Adventkalender, auch jener an der Fassade der Lienzer Liebburg. Am 12. Dezember war also die Hälfte der Fenster geöffnet und nicht nur Kunstkenner attestierten: So spannend wie heuer war die vorweihnachtliche Freiluft-Kunstpräsentation noch nie. Doch dann kam das 13. Fenster und mit ihm das pure Drama! Eine Wasserrutsche, schiefe Ebene nach unten für eine junge Frau, brünett in einem roten Badeanzug oder Kleid, die Arme ausgebreitet – und in den Fluten ein gigantischer Fleischfresser, hungrig wartend und offensichtlich seiner Beute gewiss.

Clemens Erlsbacher, Auf dem silbernen Tablett serviert, 2019, 33 x 27 x1 7 cm, Karton, Wasserfarbe, Lack. Ausrufungspreis: 150 Euro.

Bei näherer Betrachtung sieht man, dass das Becken silbrig schimmert. Titel der papierenen Skulptur von Clemens Erlsbacher: „Auf dem silbernen Tablett serviert“. Da wird Kunst zum Kopfkino und man malt sich aus, was gleich passiert, wobei fraglich ist, ob das Öffnen des 14. Fensters dem Haifisch noch den Appetit verderben könnte. Und tatsächlich, auch diesmal korrespondieren – wie schon bisher bei allen Kalenderfenstern – zwei Kunstwerke. Auf das Drama im Pool folgt ein Rettungsversuch.

Maria Bussmann, Rettungsschwimmer, 2018, 15 x 8 x 2,5 cm, Fischdose, Karton. Ausrufungspreis: 250 Euro.

Maria Bussmann schickt einen Schwimmer ins Rennen, eine der so typischen Skulpturen aus dem subtilen Werk der in Wien lebenden Künstlerin, die wohl keinen kongenialeren Partner für die Adventaktion finden hätte können als Erlsbacher. Dessen Lieblingselement ist das Wasser, doch noch mehr faszinieren ihn die Frauen, die in seinen comicartigen Bildern und Skulpturen nicht selten durchaus lustvoll in eine nur scheinbare Opferrolle schlüpfen und sich tabulos in den Rachen lüsterner Monster fallen lassen – the Beauty and the Beast!

Maria Bussmann thematisiert in ihren Miniaturen ganz Ähnliches, freilich mit dem Intellekt der kritischen Künstlerin und aus dem prinzipiell entgegengesetzten Blickwinkel, jenem der Frau. Sie taucht tief ein in eine durchaus philosophische Reflexion der Geschlechterrollen und Stereotype, die sie mit wissenschaftlicher Präzision und dennoch augenzwinkernd analysiert.

Und so vollzieht sich bei diesem so ungleichen Künstlerpaar des 13. und 14. Adventkalenderfensters neuerlich ein kleines kreatives Wunder, wie schon bei manchen vorhergehenden Paarungen. Die Werke greifen dramaturgisch ineinander wie zwei Akte eines Theaterstücks: Mit einem Lächeln im Gesicht gleitet die Frau dem Monster entgegen, während der männliche Retter in seinen engen Grenzen gefangen bleibt. Er wäre so gerne ein Held gewesen.


Alle Originale des Lienzer Kunst-Adventkalenders werden ab dem 16. Dezember in der Kunstwerkstatt Lienz ausgestellt. Am 3. Jänner werden die 24 Bilder und Skulpturen in der Liebburg vom Round Table Lienz für einen guten Zweck versteigert.  Sie möchten mehr über die beiden heute präsentierten Kunstschaffenden wissen? Maria Bussmann im Dolomitenstadt-Magazin und im Dolomitenstadt-Artshop Clemens Erlsbacher im Dolomitenstadt-Magazin
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

Ein Posting

pedarnig
vor 4 Jahren

Großartiger Kommentar, sollte man gelesen haben, um die Kunstaktion/Adventkalender besser zu verstehen.

 
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