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Lernsieg: „Bewertet wird Sympathie statt Kompetenz“

Lienzer SchülerInnen und Lehrkräfte urteilen differenziert über die umstrittene App.

Am 24. Februar ging die Lehrerbewertungsapp „Lernsieg“ erneut online, begleitet von medialem Wirbel. Also machte ich mich mit Veit Rainer für dolomitenstadt.at auf den Weg, um bei Schülerinnen und Schülern, aber auch Lehrkräften verschiedener Schulen in Lienz Meinungen einzuholen. Einige kurze Interviews zum Thema geben die Stimmung recht gut wieder und zeigen Erstaunliches: Selten sind sich Lehrer und Schüler so einig, wie bei der Bewertung von „Lernsieg“. Egal in welcher Schule ich mich umhörte, die Meinungen unter den Jugendlichen und in den Konferenzzimmern ähneln sich sehr. Auf den Punkt gebracht: Fans der App sind in den Lienzer Schulen weit und breit nicht zu finden. So sagen mir die 16-jährige Lara Ertl aus der HLW und die 17-jährige Anna Praster aus dem BORG, dass die App in ihren Augen „ein völliger Schwachsinn“ sei. Die Anonymität verleihe den Schülerinnen und Schülern eine Art Sicherheitsgefühl, das leicht auszunützen sei. Die App biete eine perfekte Möglichkeit, um Professorinnen und Professoren, mit denen man sich außerhalb des Unterrichts nicht gut versteht, mit falschen Urteilen fertig zu machen.
Johanna, Lara und Anna sind nicht wirklich begeistert von der Lernsieg-App. Fotos: Dolomitenstadt/Rainer
Außerdem, erzählen mir die Oberstufenschülerinnen, seien die abgegebenen Bewertungen mit Sternen nicht aussagekräftig und zu unpräzise. Beide Schülerinnen wollen die App bewusst nicht auf ihr Smartphone laden, „um dieses Format nicht zu unterstützen“. Wie die App funktioniert und aufgebaut sei, interessiere sie aber schon, verriet mir Anna. Sie bezweifelt stark, dass Lehrerinnen und Lehrer einer öffentlichen Bewertung persönlich zugestimmt haben. Ihre Meinung: Als Schülerin des Gymnasiums in Lienz lehnt die 16-jährige Johanna Gradnig das Konzept der App nicht kategorisch ab. Sie verstehe beispielsweise das Grundprinzip, das hinter der App stecke. Allerdings bezweifelt auch sie die Ehrlichkeit und Qualität der Bewertungen: Besonders dann, wenn man sich von einem Lehrer benachteiligt fühle, könne der erste Gedanke sein, diesem Lehrer absichtlich zu schaden. Mit der App dauert dieser Vorgang nur wenige Sekunden und ist zusätzlich auch noch anonym. Die Bewertungen würden daher nur auf Sympathien basieren und sich nicht auf die Kompetenz der Lehrpersonen konzentrieren. Wenn sie die App herunterlädt, versichert mir Johanna, „dann nur, um positive Bewertungen abzugeben.“ Am Lienzer Gymnasium treffe ich auf mehrere Professorinnen und Professoren, die bereit sind, ihre Meinung zu diesem Thema zu teilen. Geschichte- und Geographieprofessor Ingo Lindsberger hält – wie die meisten Lehrpersonen – nichts von der Bewertungs-App. Sie sei nicht nur überflüssig, sondern auch graphisch schlecht umgesetzt, bemängelt er: „Bei den meisten Hotelbewertungen hat man eine größere Auswahl an Kriterien. Lehrerinnen und Lehrer können aus der Sternchen-Beurteilung kaum konstruktive Kritik herauslesen, also auch nicht darauf reagieren. Wenn man Lehrer bewerten möchte, geht das auch auf analoge Weise, zum Beispiel mit einem Feedback-Bogen, den die Schülerinnen und Schüler genauso anonym ausfüllen können.” Im Gegensatz zur App sei ein solcher Feedback-Bogen inhaltlich weit aussagekräftiger und beinhalte die Erfahrungen eines kompletten Schuljahres, unterstreicht Ingo Lindsberger. Er hat die App aus Interesse heruntergeladen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Ingo Lindsberger: „Bei den meisten Hotelbewertungen hat man eine größere Auswahl an Kriterien.“
Biologieprofessor Martin Wieser findet Feedback für Lehrerinnen und Lehrer grundsätzlich wichtig: „Auf diese Art und Weise jedoch nicht.“ Ein großer Kritikpunkt für ihn ist die freie Einsicht für jeden. Wer auch immer die App herunterlädt, sieht die Bewertungen aller Lehrerinnen und Lehrer an allen Schulen: „Der öffentliche Zugang auf die Daten meiner Kollegen in Innsbruck hat mich schon verwundert”, erklärt Wieser. Zusätzlich gehe durch die unverständliche Sternchen-Bewertung auch ein Teil der Zwischenmenschlichkeit im Schulhaus verloren. Die Anonymität sieht der Biologe nicht als Nachteil: „So können auch schüchterne Schülerinnen und Schüler Kritik üben.“ Barbara Mattersberger unterrichtet Religion und Ethik an verschiedenen Lienzer Schulen. Für sie birgt die Lernsieg-App die Gefahr, dass – „egal ob positiv oder negativ“ – Bewertungen oberflächlich und unverständlich abgegeben werden. Missverständnisse und unklare Angaben können auf der App nicht hinterfragt werden und seien deshalb nicht mit einem klärenden Gespräch mit Schülerinnen und Schülern vergleichbar. Vor den Bewertungen an sich fürchtet sich Mattersberger nicht. Vorwiegend missbräuchliche Verwendung der App durch die Jugendlichen schließt sie aus: „Soviel Vertrauen habe ich in die Schülerinnen und Schüler.“ Dass ihre Arbeit jedoch auf einige wenige Sterne heruntergebrochen werde, sei nicht akzeptabel. Generell seien Lehrerfeedbacks aber „absolut legitim“ und wichtig. Die App werde sie sich herunterladen, um informiert zu sein, erklärt mir Barbara Mattersberger.
Benedikt Fundneider: „Ein offenes Gespräch trägt reichere Früchte.“
Auch Benedikt Fundneider, der am Gym in Lienz Sport und Geschichte unterrichtet, ist vom angebotenen Bewertungsmodus nicht überzeugt. Mit Sternen könne man einen Menschen nicht bewerten, meint er: „Es mag manchmal schwer erscheinen, Probleme im Unterricht persönlich anzusprechen. Aber ein offenes Gespräch trägt reichere Früchte und kann individuell geführt werden.“ Die App forciere dagegen Bewertungen aus einem Impuls heraus, „die schnell und ohne zweimal nachzudenken abgegeben werden und einer momentanen Laune entspringen.“ Er selbst habe kein Interesse an der App und deshalb auch nicht vor, sie auf sein Handy zu laden, unterstreicht Fundneider. Abschließend kann also ruhigen Gewissens behauptet werden, dass die „Lernsieg-App“ weder bei den Lienzer Schülerinnen und Schülern noch beim Lehrpersonal ein großer Erfolg werden wird. In Lienz verlässt man sich dann doch lieber weiterhin auf den persönlichen Kontakt zwischen Lernenden und Lehrenden. In dieser Hinsicht hat die App bereits etwas Gutes bewiesen: Lehrer und Schüler können manchmal auch einer Meinung sein!
Caterina Schilirò stammt aus Kötschach-Mauthen, hat das BG/BRG in Lienz absolviert und studiert Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Wien. Sie zählt als freie Autorin zum Team von dolomitenstadt.at.

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6 Postings

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vor 4 Jahren

Glaube kaum dass irgendeine Lehrperson der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zugestimmt hat. Also Datenauskunft gemäß DSGVO bei den Betreibern anfordern und anschließend den Betreibern mitteilen dass man mit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht einverstanden ist. Die Betreiber sind dann verpflichtet den Namen der jeweiligen Lehrperson aus der App zu entfernen. Die Entscheidung ob ich mit meinem Namen in einer App gelistet sein will liegt am Ende doch noch bei mir selbst.

 
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lisi
vor 4 Jahren

Ich habe die App heruntergeladen und mir die Bewertung der Lehrer an den Lienzer Schulen angeschaut. Ich komme zu folgenden Ergebnissen:

1.) Es gibt derzeit kaum Lehrer und Schulen im Raum Lienz, die über die App bewertet worden sind, um darüber eine annähernd objektive Aussage tätigen zu können!

2.) Ich habe in keiner Schule (auch nicht in Schulen im Raum Innsbruck, wie in dem Beitrag behauptet) irgendwelche persönlichen, untergriffigen Argumente gegen Lehrer gefunden. Es wird auch dort nur mit dem 5 Sterne System wertfrei bewertet)

3.) Die Bewertungen sind auf die Punkte: Unterricht, Fairness, Respekt, Motivationsfähigkeit, Geduld, Vorbereitung, Durchsetzungsfähigkeit und Pünktlichkeit aufgebaut. Warum wird daher in der Schlagzeile behauptet, dass es mehr um Sympathie als um Kompetenz bei der APP gehen sollte? Zählen plötzlich Fairness, Respekt und Motivationsfähigkeit nicht mehr zu pädagogischen Kompetenzen???

4.) Die Anonymität einer Bewertung in Frage zu stellen und zu behaupten auf analoge Weise über Probleme jederzeit sprechen zu können ist in meinen Augen wohl mehr als naiv!!! Gerade wenn es Probleme gibt, ist es für eine betroffene Schülerin oder Schüler oft schwer diese zum Ausdruck zu bringen, weil er/sie automatisch dadurch den Unterricht hinterfrägt, der naturgemäß nicht für alle Schüler geeigent ist. zB. Der (immer noch) präsente Frontalunterricht, das nach wie vor motivationstötende "Auswendiglernen" und der immer noch fehlende fächerübergreifende Unterricht (um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen). Oder sind diese Dinge tatsächlich schon aus den Lienzer Schulen verschwunden? Das wage ich hier wohl vorsichtig zu hinterfragen! Und welcher Schüler geht dann direkt zur Lehrperson und sagt ihr/ihm das direkt ins Gesicht?

5.) Durch die App können auch sehr kompetente LehrerInnen ihre Anerkennung bekommen, die ansonsten oft durch einen evtl. schlechten Ruf einer Schule zu unrecht leiden. Weil es gibt sicher auch viele gute LehrerInnen, die über die App evaluiert werden. Und das wird in dem Artikel leider völlig ignoriert!!!

Fazit: Ein anonymes, digitales Feedback System (derzeit das einzige) als "schwachsinnig" zu bezeichnen, um damit Gefahr zu laufen die Lehrer/innen außerhalb des Unterrichts zu verletzen und nach wie vor vorhandene Missstände unter den Teppich zu kehren, zeugt wohl von einem fehlenden Demokratieverständnis der 3 befragten Schülerinnen und der Autorin! Und das im 21. Jahrhundert?

Liebe SchülerInnen! Ladet Euch bitte die App herunter (immerhin kostenlos) und setzt Euch bitte bitte mit Demokratieverständnis und (konstruktiver) Kritikfähigkeit auseinander!!! Ihr werdet es in der Zukunft nicht nur in der Schule sondern auch in jeder Firma, jedem sozialen Konstrukt und auch jedem Staat mehr als nötig haben! Demokratieverständnis zählt zum sozialen Grundverständnis für ein friedliches Zusammenleben in aufgeklärten Gesellschaften, auch in Osttirol :)

Vielen Dank für die Geduld dieses lange Statement durchzulesen!

 
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Raphael Pichler
vor 4 Jahren

Kritik an dieser App ist vollkommen legitim. Den Wert der Arbeit eines Menschen an einer Skala von 1-5 zu bemessen - ohne weitere Bemerkungen in Form tatsächlicher Kritik - ist sicher nicht gerecht und erst recht nicht konstruktiv. Die Möglichkeit für jeden, das Ergebnis einer solchen Bewertung ungefragt einsehen zu können, halte ich ebenso für problematisch. Man muss sich ja fragen, wem eine solche Einsicht überhaupt von Nutzen wäre.

Die aktuelle Situation gibt allerdings gut Gelegenheit dazu, darüber zu diskutieren, welche Form des Feedbacks und der Qualitätskontrolle in der Schule wirklich sinnvoll wäre. Die Schule ist nämlich bis heute die einzige Institution, in der Kunden möglicherweise objektiv schlechten Dienstleistungen ausgesetzt sind, ohne dagegen vorgehen zu können. Ist die Suppe im Restaurant abgestanden und kalt und das Brot mit Schimmel überzogen bekomme ich mein Geld zurück oder informiere unter Umständen die Behörden. Wird einem Schüler im Unterricht nichts beigebracht, muss er sich selbst darum kümmern, zum nötigen Wissen zu gelangen oder ansonsten die Klasse wiederholen.

Es gibt momentan keine effektive Qualitätskontrolle für Lehrer, - schön ist, dass sie bei vielen nicht gebraucht wird, doch nur realistisch ist es einzusehen, dass es immer "schwarze Schafe" gibt. Bewertung in die andere Richtung ist das allerdings seit jeher gang und gäbe und offensichtlich auch politisch erwünscht, betrachtet man aktuelle Ereignisse: Schüler sehen sich immer einer Einordnung auf einer Skala von 1-5 gegenüber. Im Gegensatz zu einer Bewertung in dieser App hat eine Schulnote aber viel weiterreichende Auswirkungen. Zugegeben ist sie auch meist nachvollziehbarer und hoffentlich fairer, den Vergleich muss man sich allerdings gefallen lassen.

 
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    r.ingruber
    vor 4 Jahren

    Schule ist eine Dienstleistung, die Qualitätsmanagement durch Beurteilung des Kunden betreibt.

     
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      Vlad Tepes
      vor 4 Jahren

      Aha. Wer ist Kunde? Ein Kunde (englisch customer, client) ist allgemein in der Wirtschaft und speziell im Marketing eine Person, ein Unternehmen oder eine Organisation (Wirtschaftssubjekt), das als Nachfrager ein Geschäft mit einer Gegenpartei abschließt. Ein solches Geschäft ist beispielsweise ein Kaufvertrag, Miete oder Leasing, eine Dienstleistung oder ein Werkvertrag. Meist zahlt der Kunde dafür Geld, seine Gegenleistung kann aber auch unentgeltlich oder in Form eines gegenseitigen Tauschgeschäftes erfolgen. (Wikipedia)

       
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unholdenbank
vor 4 Jahren

Das gibt ja Hoffnung, dass noch nicht alle berwertungsverblödet sind. Besonders freut mich die kritische Einstellung der beteiligten Schüler/innen. Ausnahmsweise eine Bewertung: Glatte 5 * für diesen Artikel.

 
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