Man lernt in Österreich nicht, Dinge zu hinterfragen
Das sogenannte Amtsgeheimnis steht seit 1925 in der österreichischen Verfassung. Es hat eine Schutzfunktion gegenüber Dritten, sodass der Staat nicht alles verraten muss, sofern Dritte involviert sind und es diesen (oder dem Allgemeinwohl) schaden könnte, wenn eine Information publik wird. Das ist gut so, meist allerdings wird die Amtsverschwiegenheit stattdessen zum Schutze der agierenden PolitikerInnen genützt. Dahinter muss keine böse Absicht stecken, doch ein etwas legerer Umgang mit finanziellen Mitteln oder ein Verschieben eines Postens auf einen anderen ist in vielen Gemeinden sowie auf nationaler Ebene nicht unüblich. Wir haben in Österreich seit Einführung des Beamtenstaates durch Metternich gelernt, dass man gewisse Fragen einfach nicht stellt, sondern sich darauf verlässt, dass „die da oben“ schon alles richten werden – auch für sich selbst. Letzteres ist mit Sicherheit nur in kleinem Umfang der Fall, doch gerade die strikte Auslegung des Amtsgeheimnisses, das der Bevölkerung Auskünfte verweigert und nie zur Gewohnheit werden lässt, nachzufragen, hindert diese daran, nachzuvollziehen, was in einer Gemeinde oder auf Bundesebene wieviel kostet, was es dafür braucht, wer involviert werden muss und wie diese Institutionen und Abteilungen miteinander arbeiten.Demokratie wird erst begreifbar, wenn man Informationen hat
Eine genaue Einsicht in die Akten wäre zwar unbequem für die agierenden PolitikerInnen und BeamtInnen, würde der Bevölkerung aber helfen, politische Prozesse und Entscheidungen besser zu verstehen. Dieses Wissen ist das Um und Auf der staatlichen Organisation und jede/r BürgerIn hätte die Aufgabe und das Recht, diese Schritte zu erlernen. In Österreich fragt man lieber nicht nach, schimpft dann aber auf die sogenannten Oberen und geht davon aus, dass diese kein Interesse an den Bedürfnissen der Menschen hätten. Das trifft insbesondere auf jene PolitikerInnen zu, die sich nach einigen Jahren an der Macht einbilden, die immerwährend beste Option zu sein. Beispiele dafür gibt es von Wladimir Putin bis zu mancher/m DorfkaiserIn. Sie informieren gerne und ausführlich über ihre Erfolge, weniger allerdings, wenn es darum geht, was hinter den Kulissen passiert. Die Bevölkerung sollte lernen, diese Informationen zu verlangen. Die Opposition hingegen muss lästig sein und in Frage stellen, denn die Bevölkerung hat dafür keine Zeit. Die Medien wiederum brauchen das Informationsfreiheitsgesetz dringend für ihre Arbeit. Es wäre ihre Verpflichtung, dieses zu nützen und nicht nach dem Spruch „die Hand, die mich füttert“ zu leben, sondern nachvollziehbare Aufklärungsarbeit für die Bevölkerung zu machen.Informationen sind selbstverständlich
Die grüne Justizministerin Alma Zadić und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) setzen nun ein altes Versprechen um: eine massive Lockerung des Amtsgeheimnisses. Es soll für mehr Transparenz sorgen. Die Wutausbrüche bestimmter Politikerinnen und Politiker, wenn man sie um Auskunft fragt, sind legendär. Viel zu häufig lassen sich BürgerInnen und auch die Opposition davon einschüchtern. Das könnte bald der Geschichte angehören. Denn kein Euro, über den amtsführende Politiker und Beamten verfügen, gehört ihnen. Jeder Cent wird nur zur Verfügung gestellt, um gewissenhaft für die Bevölkerung Projekte umzusetzen. Dementsprechend ist nicht nur jeder noch so kleine Betrag zu rechtfertigen und offenzulegen – und zwar konkret und nicht mit irgendwelchen Sammelrechnungen; ebenso alle Informationen zu staatlichen Unternehmen, Institutionen und Aktionen; all das mit kurzen Fristen bis zum Veröffentlichungsmuss sowie zu den Sanktionen, falls etwas weiterhin geheimgehalten wird. Seltsam, dass das in Österreich noch immer so utopisch klingt.Daniela Ingruber, Demokratieforscherin am Austrian Democracy Lab der Donau-Universität Krems, analysiert wöchentlich in der Rubrik „Politik im Blick“ aktuelle politische Themen und erklärt deren Hintergründe.
10 Postings
„Viel Theorie und- keine - Praxis. Eine Demokratiebeurteilung vom Schreibtisch aus“.
@Ceterum censeo, bitte was hat Demokratie mit Theorie und Praxis zu tun? Meinen Sie damit, dass man dafür ständig auf die Straße gehen soll (protestieren für die Demokratie). Ist man dann Demokratie-Praktiker? Für eine „Demokratiebeurteilung“ ist nicht unbedingt Hausverstand von Nöten. Trotzdem sollte man niemanden einen "Hausverstand“ voreilig absprechen!
Von meiner Seite her gibt es vollinhaltliche Zustimmung zum Beitrag von Frau Ingruber, (als Demokratie - Theoretikerin und Praktikerin)
Richtig, Frau Ingruber!
Intransparenz hat Tradition in der österr. Politik. Das „Amtsgeheimnis“ als Floskel muss in der Politik, falls etwas nicht an die Öffentlichkeit gelangen soll, herhalten. Alle Parlamentsparteien sind zu nennen, insbesondere die jahrzehntelang in Regierungsverantwortung stehenden Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ. Allein wie schwierig dies ist, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, kann man am Unvereinbarkeit- und Transparenz-Gesetz und an der Novelle zum Parteiengesetz erkennen. Im Grunde will keine Partei oder Politiker*in, dass ihr/ihm auf die Finger geschaut wird. Warum wohl? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Es wäre schon viel gewonnen, wenn es sich in der Bevölkerung durchsetzen würde, kritisch zu denken und Erklärungen sowie Informationen einzufordern.
Frau Ingruber: Viel Theorie und - keine - Praxis. Eine Demokratiebeurteilung vom Schreibtisch aus. Wobei ich "Beobachtung von außen" grundsätzlich begrüße. Herr Filzmaier hat zwar oft, aber nicht immer recht. Erlaube ich mir zu bemerken. Als nichtstudierter, aber mit Hausverstand ausgestatteter Bürger.
@Ceterum censeo: „Demokratiebeurteilung vom Schreibtisch“ ist ein fadenscheiniges und polemisches Argument. Unsere Politiker – Ausnahmen sind eine Rarität – sind selbstreflektionsresistente Wesen mit einer nicht zu leugnenden Tendenz zu unredlichen Aktivitäten. Eines der prominentesten Beispiele dürfte HC Strache sein. Eine externe und unvoreingenommene Perspektive ist demzufolge zur Überwindung des sogenannten blinden Fleckes von Belangen.
@ Ceterum censeo: Korrekt, im besten Fall kennt jemand die Theorie und die Praxis. Ob das in Peter Filzmaiers oder in meinem Fall zutrifft, kann ich leider erst sagen, wenn sie mir verraten, worin Ihrer Meinung nach jemand, der oder die sich erlaubt, politische Prozesse zu analysieren und zu kommentieren, Praxis haben sollte, damit das Sinn ergäbe. Denn wer weiß, vielleicht trifft es ja zu; oder Sie bringen mich damit auf eine gute Projektidee :-)
Transparenz – das Zauberwort in der Politik! Ach, wie schön wäre das! Und absolut wünschenswert. Bei der ÖVP-Schwarz/Türkis dominierten Regierung?
Transparenz, Amtsgeheimnis aufweichen? Kaum vorstellbar und nur wieder einmal ein Schlagwort. Leider. Wer’s glaubt, wird selig!
Bravo, Frau Ingruber! Genau so ist es. Je länger jemand an der Macht ist, um so mehr spielt er sie aus und um so mehr gibt es Günstlinge, die auf einem Auge blind werden. Jene, die kritisch sind und Informationen einfordern, werden hingehalten bis sie resignieren.
Die Headline würde vermuten lassen, dass wir uns Richtung Demokratie bewegen - ich sehe aber seit Kurz genau das Gegenteil. Das Parlament als lästiges Übel, Anträge werden mit Tricks an der Begutachtung vorbei eingebracht, U-Ausschüsse werden zur Farce und jetzt möchte die Edtstadler die Zeitbeschränkungen (Sunset Klauseln) ändern... Damit würde quasi das Ablaufdatum der erweiterten Befugnisse der Regierung gestrichen.
Um positiv zu schließen - sollte das Amtsgeheimnis wirklich fallen (und das ohne Hintertürchen) wäre das sehr zu begrüßen. Allein der Glaube daran fehlt mir...
Lieber Herr "Oberexperte" Domenik, eine Frage an Sie: Haben oder hatten Sie schon einmal ein Mandat in einem Gremium, wie Gemeinderat, um zu wissen, wie Entscheidungen zustande kommen und wie sie getroffen werden? Ein bisschen Nachhilfe wäre vonnöten, um sachlich urteilen zu können. Generalverurteilungen sind fehl am Platz. Bald gibt GR-Wahlen in Tirol. Bewerben Sie sich um ein Mandat. Dann können Sie - glaubhaft - mitreden.
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