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Erhöhungen auf Strompreise rechtlich unwirksam

Verweis auf Inflation, Ukraine-Konflikt und ÖSPI reicht laut AK Tirol nicht aus. Kostenstruktur muss dargelegt werden.

Die steigenden Strompreise bei kommunalen Anbietern sowie nicht zuletzt die Ankündigung der TIWAG, den Strompreis ab Juni 2023 um 188 Prozent auf 28 Cent pro Kilowattstunde zu erhöhen, riefen die Arbeiterkammer Tirol auf den Plan, ein Gutachten zur Rechtslage aufsetzen zu lassen.

Das Ergebnis: Die Strompreiserhöhungen und Lieferbedingungen sind in den meisten Fällen rechtsunwirksam. Untersucht wurden unter anderem die Vertragsklauseln der TIWAG, der IKB, der Wörgler Stadtwerke und der Hall AG. Betroffen sind auch sämtliche andere Stromanbieter, die dieselben Klauseln und Formulierungen für die Erhöhungen angewandt haben.

Bei einer Pressekonferenz präsentierten AK-Präsident Erwin Zangerl und Rechtswissenschafter Alexander Schopper die Ergebnisse des Gutachtens. Alle Fotos: Dolomitenstadt/Huber

Ausgangspunkt für die Erstellung des Gutachtens bildete eine Novelle des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG), die im Februar 2022 umgesetzt wurde und welche Stromlieferanten zu Preiserhöhungen gegenüber Verbraucher:innen ermächtigt. Dabei handle es sich um eine „relativ kurzfristige, sehr praxisrelevante Gesetzesänderung“, welche zwar rechtskonform umgesetzt wurde, allerdings gebe es rund um diese Änderung eine „gewisse Rechtsunsicherheit im Umgang damit“, erklärt Alexander Schopper, Vorstand des Institutes für Unternehmens- und Steuerrecht an der Uni Innsbruck. Er war federführend an der Erstellung des Gutachtens beteiligt.

Das erste Rechtsurteil zur Novelle des ElWOG liegt seit der vergangenen Woche vor: Das Handelsgericht Wien hat die Preiserhöhungen des teilstaatlichen Stromkonzerns Verbund vom Mai 2022 gekippt. In den Kernpunkten kommen das von Schopper angefertigte Gutachten sowie das Urteil des Handelsgerichts zum selben Schluss: Strompreiserhöhungen, die sich auf diese Gesetzesnovelle berufen, erfordern, dass sich die Kosten beim Stromanbieter erhöht haben und, dass diese Kosten in Zusammenhang mit dem Preis für die Verbraucher:innen stehen.

„Das bedeutet konkret, dass ein bloßer Verweis auf die Inflation, den Krieg in der Ukraine und insbesondere ein Verweis auf den Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) nicht ausreicht, um den Strompreis zu erhöhen“, führt Schopper aus. Letzteres wäre nur dann möglich, wenn der Index tatsächlich für die Kosten des Stromanbieters relevant ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Strom zu großen Teilen oder vollständig aus Eigenproduktion bezogen wird, halten sowohl das Handelsgericht als auch das Gutachten fest. Beim Verbund betrifft das 98 Prozent des Stroms. Der ÖSPI und dessen Bewegungen spielen hier keine bzw. eine untergeordnete Rolle. Die TIWAG hatte zuletzt im Rahmen der angekündigten Preissteigerungen mit der Anpassung an den ÖSPI argumentiert.

Ein bloßer Verweis auf die Inflation, den Krieg in der Ukraine und insbesondere ein Verweis auf den ÖSPI reicht nicht aus, um den Strompreis zu erhöhen.

Alexander Schopper, Rechtswissenschafter, Uni Innsbruck

Wenn der Strom teilweise zugekauft, teilweise selbst produziert wird, können sich Unternehmen nur insofern auf den ÖSPI berufen, als dass sie den Verbraucher:innen genau mitteilen, in welchem Verhältnis Eigenproduktion und Zukauf zueinander stehen. Werden die Verbraucher:innen nicht informiert, in welchem Bereich sich die Preissteigerungen ergeben, sind die Vertragsklauseln unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn die Höhe der Preissteigerung gerechtfertigt wäre. Durch die unzureichenden Angaben könnten die Kund:innen keine informierte Entscheidung für das Kündigungsrecht treffen und es bestehe auch keine Möglichkeit, das Recht auf Preissenkung durchzusetzen, wenn man nicht weiß, welche konkreten Kosten später wieder geringer geworden sind, erklärt Schopper.

Im Fall der TIWAG und der IKB wurden Ende Januar bzw. Anfang Februar die Änderungen der Allgemeinen Lieferbedingungen per Post an die Kund:innen versandt und wortgleich auf die Gesetzesnovelle verwiesen (§ 80 Abs 2 ElWOG und § 80 Abs 2a ElWOG). Das Gutachten befindet die Schreiben wegen intransparenter Regelungen als rechtsunwirksam. Zusätzlich kann die Formulierung auch so verstanden werden, dass die Unternehmer frei wählen könnten, den Strompreis nach dem ÖSPI zu erhöhen, das andere Mal nach dem neuen Preisänderungsrecht: Auch diese Klauseln betitelt Schopper als „intransparent und gröblich benachteiligend“ und daher unwirksam. 

Die IKB und die TIWAG sendeten Ende Januar ihre auf Grundlage der Novelle überarbeiteten Vertragsbestimmungen an die Kund:innen. Die Klauseln zur Strompreiserhöhung befindet das Gutachten als "rechtlich unwirksam".

Im Rahmen des Gutachtens wurden auch die neuen Vertragsklauseln der Salzburg AG beleuchtet. Hier werde zwar angeführt, woraus sich die erhöhten Kosten für den Energielieferanten ergeben (etwa durch eine Verdreifachung der Beschaffungskosten und einen Anstieg der Kosten für Herkunftsnachweise und Ausgleichsenergie), allerdings wird die Zusammensetzung nicht aufgeschlüsselt, weshalb auch hier eine Verletzung der Informationspflicht geortet wird.

Die Arbeiterkammer Tirol fordert alle Stromanbieter auf, eine Preisänderung ausschließlich auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen und jegliche Änderung transparent und nachvollziehbar zu begründen. Das gilt rückwirkend auch für all jene Stromanbieter, die die Preissteigerungen bereits in den vergangenen Monaten vorgenommen haben.

Erneute Preiserhöhungen soll es erst wieder geben, wenn die Unternehmen die Kostenstruktur offengelegt haben. „Kommen die Stromanbieter diesen Forderungen nicht nach, werden wir den Klagsweg beschreiten, wir hoffen allerdings, dass es nicht dazu kommen muss“, erklärt Erwin Zangerl, Präsident der AK Tirol. 

Anna Maria Huber unterrichtet an der International School in Innsbruck und schreibt nicht nur für dolomitenstadt.at sondern auch für die Straßenzeitung 20er. Annas Stärken sind penible Recherchen und die Fähigkeit, komplexe Inhalte in klare und verständliche Artikel zu verwandeln.

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10 Postings

Stadtner
vor einem Jahr

Die Tiwag hat, laut ihrer Homepage und laut der Meldung an E-Control 100% Öko Strom und 0% Strom aus Gas-, Kohle- oder Atomkraftwerken. Ich finde es gut, wenn dieses Gutachten hält und so diese Betriebe zur Kostenwahrheit gezwungen werden. Das wäre auch noch bei Fernheizwerken, im Handel usw. notwendig, dass da auch noch einmal eingegriffen wird, weil diese langen in Österreich auch auf Kosten der Allgemeinheit zu. Enttäuscht kann man wirklich von der Politik, in Tirol da von Mattle, Dornauer, im Bezirk von Blanik als zuständige Politikerin betreffend Kosten Fernheizwerk und wie jemand angemerkt hat von Frau Unterweger-Hysek sein, die auch die neuen AGB mit zu vertreten hat. Von Mayerl und Stotter ist besser ganz zu schweigen. Politiker arbeiten aber lieber mit Verteilung von Steuergeld, mit dem sie sich gut Stimmen kaufen können, an statt dass sie schauen dass alles rechtens ist. Durch Formulierung von Gesetzen könnten sie politisch eingreifen zu diesem Zweck wurden sie von uns gewählt und legitimiert damit sie die Zukunft für alle gestalten und nicht als Geldverteilungsmaschinen von fremden Geld als die sie auftreten.

 
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Stiller Gedanke
vor einem Jahr

Was bedeutet das jetzt für den Endkunden?

1. Die Stromrechnung wird noch undurschaulicher, weil ja alles mögliche aufgelistet werden muss? 2. Der Strom wird im Winter teuer und im Sommer billiger je nach Verfügbarkeit der Eigenproduktion? 3. Wird es überhaupt noch langfristige Verträge geben, wenn so oder so zu jeder Zeit so verrechnet werden muss wie sich die Kosten ergeben, oder Stellen die lieferanten auf floating Verträge um. 4. Ist es künftig im Interesse der Energielieferanten die Energie an die Endkunden zu verkaufen wenn an der Börse ein vielfaches verdient werden kann? 5. Muss ich für die Richtige Abrechnung der Kosten meinen Smartmeter auf 15min Werte umstellen lassen? 6. Wird es für Wärmepumpen-Besitzer besser oder schlechter wenn, gerade der Verbrauch im Winter hoch ist wo auch vermutlich das Angebot knpaa ist. 7. Ist bei PV und Kleinwasserkraft die Bindung an den ÖSPI der letzten drei Monate dann noch zulässig, oder müssen diese dann ebenso zum Selbstkostenpreis plus kleine Gewinnmarge ihren Strom verkaufen? 8. Wie Funktioniert dann der Internationale Stromhandel wenn in Österreich die Preise nicht mehr anhand der Börse verrechnet werden dürfen, bzw wie weit beeinflusst dies jenen? 9. Kann es dann überhaupt noch Verträge mit Preisgarantie für ein Jahr geben wenn die EVUs nur anhand ihrer tatsächlichen kosten verrechnen können, oder wird dir dein individueller Preis am Ende des Jahres mitgeteilt?

Und es gibt noch viele Ungeklärte Fragen die mir einfallen würden, aber fürs erste lassen wirs. Auf jeden Fall bin ich gespannt wies kommt und ob wirklich auf lange sicht alles Besser wird.

 
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    Franz Brugger
    vor einem Jahr

    Auf jeden Fall ist die Erhöhung zu groß.

    @6 - sollte dann so hoch sein wie derzeit

    Die melodramatische Art der Politik "unsere TIWAG", "unser Land" dient dem Stimmenfang und jedes "uns", das ein Politiker äussert gehört hinterfragt.

     
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Omo
vor einem Jahr

Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht. Zitat: Eberhard Linke

Es ist bemerkenswert, was wir uns alles gefallen lassen!

 
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so ist es vielleicht
vor einem Jahr

Habe letztens auch das Preiserhöhungsschreiben der TIWAG bekommen. Natürlich nichts verstanden, wie auch, bei diesem Juristendeutsch. Und man nimmt einfach hin, was da wohl stehen mag!

Dass man dazu vom doch so "bürgernahen" Landeshauptmann nichts hört, liegt wohl daran, dass die ÖVP der Tiwag halt noch näher ist. Überall die selbe Gier, schämt euch!!!! Und niemanden scheints in Innsbruck zu interessieren, dass es sich manche Menschen nimmer leisten können. Tolle "Volks-"(nahe?)partei...🤑🤮

 
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Stefi
vor einem Jahr

Kann dolomitenstadt.at bitte Frau Mag.a Michaela Hysek-Unterweger zum Thema Strompreis interviewen, sie ist ja sonst auch immer so gerne in osttiroler Medien präsent. Hysek-Unterweger ist Obfrau der Bezirksstelle Lienz der Wirtschaftskammer Tirol und außerdem stv. Aufsichtsratsvorsitzende der TIWAG. Danke.

 
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    stadtbewohner
    vor einem Jahr

    Wäre für mich auch interessant, was Frau Hysek-Unterweger als st. Aufsichtsratsvorsitzende der TIWAG dazu sagt. Sie selber dürfte ja wahrscheinlich Kundin des Elektrowerks Assling sein, das derzeit zu den günstigsten Stromlieferanten zählt.

     
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kommentar123
vor einem Jahr

Danke für das ,,Unter-die-Lupe-Nehmen" und ,,Auf-die-Zehen-Steigen". Eine Fortsetzung gegen die Erhöhungen der Fernwärme Lienz folgt hoffentlich noch.

 
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Kaffeesud
vor einem Jahr

Da sieht man die Abgebrühten. Eine totale Frechheit was da abgeht! Was macht ein Mattle? Nix!!

 
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iwan
vor einem Jahr

Endlich Hilfe für die belastete Bevölkerung gegen die Preistreiber. Es ist bezeichnend, dass die regierenden Landespolitiker keinen Finger gerührt haben und erst Arbeiterkammer und Gerichte eingreifen mussten.

 
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