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Hinter dem Vorhang: Ein Blick in fingierte Räume

Peter Niedertscheider zeigt unter dem Titel „Raumteiler“ neue Arbeiten in der Kunstwerkstatt Lienz.

Der Ausdruck „Hinter dem Vorhang“ meint nicht nur den Hinweis auf Verborgenes, Privates, Intimes, er kennzeichnet auch eine räumliche Situation. In der Kunst markiert der Vorhang die Grenze zwischen dem Raum des Bildes und dem des Betrachters, zwischen Wirklichkeit und Illusion. Zugezogen lässt er das hinter ihm Liegende nur noch erahnen. In der Kunstwerkstatt Lienz lüftet Peter Niedertscheider nun das Geheimnis.

Unter dem Begriff „Raumteiler“ fassen wir gewöhnlich mobile Systeme und Elemente zusammen, die einen Raum, in dem wir uns aufhalten, in einzelne Bereiche gliedern und gegen andere Bereiche abschirmen. Als Titel der neuen Werkreihe kennzeichnen „Raumteiler“ jedoch ein semantisches Spiel, das Peter Niedertscheider seinen Bildräumen zugrunde legt. Er teilt damit die im rechten Winkel umgrenzte ästhetische Ebene und verschafft dem so auf Distanz gehaltenen Betrachter Ein- und Durchblicke auf zentralperspektivisch fingierte Räume.

Niedertscheiders Ausdrucksmittel ist das rilievo schiacciato, das „gequetschte“ Relief, dessen geringe Tiefe zu der Frage verleitet, ob sich etymologisch nicht eine Verwandtschaft zur altgriechischen „Skiagrafie“, der „Schattenmalerei“ herstellen lässt: Denn das Verhältnis der minimalen Erhebungen zum Einfallswinkel ihrer Beleuchtung modelliert erst die Plastizität der dargestellten Objekte durch Schatten und Licht. Die Farbe hingegen verdankt sich dem Eigenleben des Marmors.

Zwei unvereinbar scheinende Prinzipien der zweidimensionalen Künste sind so durch die dreidimensionale Kunst des Bildhauers verschmolzen: Peter Niedertscheider blendet flächenteilende Bildgitter, die an Piet Mondrian erinnern, als Raumteiler einer perspektivisch codierten Wirklichkeit vor. Aufgrund ihrer geringen Stärke sind sie eher geeignet, die Dinge nebeneinander, statt hintereinander zu ordnen, räumlich Getrenntes zusammenzurücken und Ausschnitte eines potenziell unendlichen Raumes wie Bilder zu rahmen.

Die subtile Wechselwirkung von Fläche und Raum lässt die Motive untereinander auf ungewöhnliche Weise korrespondieren. Sie unterwandert Größenverhältnisse in einer Art, die auch die Bedeutung der Dinge verändert. Eine Tapete wird so zum Ausblick in einen exotischen Garten, Einrichtungsgegenstände zu Spiel- oder Nippsachen und der Gleichklang des Stoffmusters eines Sofas mit dem Muster der Kleidung und den Locken seiner Benutzerin zur Camouflage.


Kunstwerkstatt Lienz, Mühlgasse 8a
Vernissage; Freitag, 10. 03. 2023, 19.00 Uhr
Ausstellungsdauer: 13. 03. – 31. 03. 2023

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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hinter dem vorhang
vor einem Jahr

🧐. soso

 
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