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Zu Mantua in Banden. „Hofers letzter Gang“ heißt dieses Gemälde von Karl Karger. Die Hinrichtung des Volkshelden wird in der Tiroler Hymne pathetisch nacherzählt. Foto: Wikicommons, gemeinfrei

Zu Mantua in Banden. „Hofers letzter Gang“ heißt dieses Gemälde von Karl Karger. Die Hinrichtung des Volkshelden wird in der Tiroler Hymne pathetisch nacherzählt. Foto: Wikicommons, gemeinfrei

„Gebt Feuer, ach wie schießt ihr schlecht!“

Bei genauerem Hinhören sind auch die Texte der heimischen Landeshymnen nicht mehr ganz treffsicher.

Mantua liegt nicht in Tirol. Mantua liegt in Banden. Schon der erste Vers unserer Landeshymne stellt das klar. Ich weiß bis heute nicht, wo das sein soll, aber in der Volksschule reichte der Lehrstoff eben nur bis an die Grenzen der engeren Heimat. Wenn überhaupt. Dafür wurde jedes Jahr in den Wochen vor dem 20. Februar, dem Gedenktag unseres Volkshelden, das Andreashoferlied einstudiert.

Atlas brauchten wir dazu keinen, doch waren wir aufgefordert, von zu Hause unser Kriegsspielzeug mit in die Schule zu bringen: Pfeil und Bogen, Gewehre, Handgranaten und Panzerhaubitzen. Während der letzten Strophe mussten wir auf das Kommando „Gebt Feuer!“ auf unseren Lehrer anlegen, der auch auf der Stelle tot umfiel. So lebensnah war die Übung. Unsere Trauer hielt sich trotzdem in Grenzen. 

Natürlich war der Lehrer nicht wirklich tot. „Ach, wie schießt ihr schlecht!“ seufzte er dann jedes Mal, erhob sich, klopfte den Staub aus seinem Jackett und der Hose und ließ uns zur Strafe dreimal die gesamte Tiroler Landeshymne abschreiben. Dabei blieb uns lediglich eine einzige Zeile erspart: „Und von der Hand die Bi-hin-de ...“. Wir waren eine reine Knabenklasse, und wenn wir nicht einmal mit Banden was anfangen konnten, mit Binden schon überhaupt nicht!

Im Gegensatz zur Tiroler ist die Kärntner Hymne der reinste Geographieunterricht. Die kannst du ohne Google maps gar nicht singen. Oder hättest du auswendig gewusst, wo die Grenze zwischen Tirol und Salzburg verläuft? Das ist weder im Felbertauerntunnel noch am Pass Thurn, sondern entlang des oberen Leiterbachs, unterhalb der Pasterze: dort, wo des Glockners Eisgefilde glänzt, oder vielmehr dessen kümmerlicher Rest, der bald schon verschwunden sein wird. Spätestens dann werden sich die Kärntner eine neue Hymne ausdenken müssen.

Dasselbe gilt für die Landeshymne von Salzburg, die auch mit einer Klimastrophe beginnt: „Land unsrer Väter, lass’ jubelnd dich grüßen, Garten behütet von ew’gem Schnee.“ Zeitgemäß ist was anderes, und genau deshalb hat die Interessengemeinschaft Autorinnen Autoren jetzt sowohl den Text als auch die Melodie beanstandet und eine komplette Neufassung der Hymne verlangt. Am liebsten eine aus der Menassischen Liederhandschrift! Eine schwere Geschichtsfälschung hat die IG jedoch übersehen, denn mit dem „Land unsrer Väter“ ist wohl das Erzstift Salzburg gemeint.

Die Erzbischöfe von Salzburg waren bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die Herren des Landes. Sie waren weltliche und geistliche Führer, einige von ihnen auch Kardinäle und ständige Legaten des Papstes. Väter waren sie nicht. Wenigstens nicht offiziell. „Gezeugt, nicht geschaffen“, heißt es im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis über den Sohn Gottes. Über die Nachkommen der Erzbischöfe von Salzburg müsste es wohl genau umgekehrt heißen. „Seht, da kommt der halbe Papst, der selbst Bischöfe machen kann“, begrüßte Pius IX. den Fürsterzbischof von Salzburg beim Ersten Vatikanischen Konzil.

In Niederösterreich ist nicht der Text der Hymne, sondern dessen Verfasser verdächtig. Franz Karl Ginzkey war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Offizier der kaiserlichen und königlichen Armee und später Nazi-Propagandist. „Pädagogische Aufseher“ (Hans Magnus Enzensberger) haben ihn schon einmal kastriert, weil er einen Türken ertränkt hat. 1968 wurde deshalb sein „Hatschi Bratschi“ in einen Zauberer aus dem Morgenland umgewandelt, was der Absicht des Dichters aber keinerlei Abbruch getan hat: 1904, zur Zeit des ersten Erscheinens dieses Kinderbuchklassikers waren das Osmanische Reich und das Morgenland nämlich ein und dasselbe.

Trotzdem hat man in Niederösterreich jetzt die Landeshauptfrau beauftragt, sich nach einem alternativen Hymnentext umzuschauen. Das klingt jetzt dramatischer als es ist, denn mit der Unterstützung des stellvertretenden Landeshauptmanns wird sich doch wohl noch ein Liederbuch auftreiben lassen!

Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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„Kitschig-pathetischer Schollenschwulst“

Autoren kritisieren historisch belastete Hymnen von Ober- und Niederösterreich, Kärnten und Salzburg.

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17 Postings

Photon 07
vor 12 Monaten

Die Hymnen keine Meisterwerke, die Kritik (der ig autoren) alles andere als eine Meisterleistung (schollenschwulst - what ... ?); auf einen fahrenden Zug (canzel culture) aufspringen - in Anbetracht ihres Alters (welsh, turrini) muss davon dringend abgeraten werden; übrigens, die Frage nach 'Banden' (a la AFG?) sei alles andere als banal, erklärte mir jedenfalls 'Gestern' ein sumerischer Keilschriftler.

 
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Kilian1990
vor 12 Monaten

Manche haben eben Zeit, jeden Text, jede Aussage und jedes Argument auf die Waagschale zu legen und zu analysieren. Meist sind es eben Besserverdiener in öffentlichen oder halböffentlichen Bereichen. Müssten ja sonst zu viel Energie aufwenden, im die Zeit tot zu schlagen.

 
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    Muehle
    vor 12 Monaten

    Auch Menschen mit anderen Einkommens- und Beschäftigungsverhältnissen würde es nicht schaden, sich manchmal etwas Zeit zum Nachdenken zu nehmen.

     
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      soomanides
      vor 12 Monaten

      .......zum Nachdenken und zum Erlernen des Textes unserer Bundeshymmne. Wetten, dass die Mehrzahl der Staatbürger straucheln. "Heimat großer Töchter (und) Söhne...es wird immer noch die "alte" Version gesungen. Auch von den Fußballern der Nationalmannschaft. Der ORF soll den Text einblenden. Nur eine Abregung für Besserwisser

       
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bergfex
vor 12 Monaten

👎🏿👎🏿👎🏿👎🏿

 
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Omo
vor 12 Monaten

Lasst doch endlich diesen Blödsinn! Was heist nicht mehr zeitgemäß? Was ist mit Text von VERDI ( Zigeunermarsch u. v.a.)und vielen anderen? Sind denn alle verrückt geworden?

 
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    Edi1913
    vor 12 Monaten

    bei Verdi&Co wird halt zeitgemäß inszeniert.

     
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Haberg21
vor 12 Monaten

Was passt eigentlich heute noch???? Diese Hymnen wurden vor Jahrhunderten geschrieben u. verfasst und man sollte sie auch so stehen lassen! Hätten diese Schreiber u. Dichter gewusst in welcher Zeit sie noch gesungen werden, dann hätten sie gleich kotzen müssen...

 
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e-mission
vor 12 Monaten

nur weiter so, dann hat die fpö die absolute.

 
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unholdenbank
vor 12 Monaten

===> Rudolf Ingruber: Perfekt, chapeau! Köstlich formuliert. Ich habe es mehrmals gelesen.

 
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    soomanides
    vor 12 Monaten

    Ich auch.

     
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chiller336
vor 12 Monaten

ich will ja jetzt nicht ummagscheidln, aber der erste satz der tiroler landeshymne lautet "zu mantua in banden", was nichts anderes heisst als gefesselt in mantua ..... kurz vor der hinrichtung .....wobei ich diese brutalität nicht in frage stelle. zur damaligen zeit war man eben nicht so mimimi wie heute, es gab kein gendern, kein schönreden, keine klimaerwärmung, kein was auch immer - oder man wollte das ganz einfach nicht sehen, denn es gab andere probleme, die wohl zu der zeit wichtiger, ja lebensnotwendiger erschienen. aber das wussten wohl nur die menschen aus der damaligen zeit

 
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    Herr_Ethiker
    vor 12 Monaten

    Aha. Ja, Sie sind sehr gescheit und haben auch alles richtig verstanden.

     
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    r.ingruber
    vor 12 Monaten

    Stimmt! Banden kommt von binden. Spätestens nach dem letzten Satz in dem Abschnitt über die Tiroler Landeshymne hätte mir das klar sein müssen.

     
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      Edi1913
      vor 12 Monaten

      der war gut!

       
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    iwases@
    vor 12 Monaten

    Danke für die Aufklärung! 🤣🤣🤣 Sie sollten sich ernsthaft überlegen Ihren Nickname auf "checker" zu ändern. Wenn das Sprachverständnis der Bevölkerung weiter sinkt, sollte man sich tatsächlich überlegen, eine Fassung der Tiroler Landeshymne "in einfacher Sprache herauszugeben", z. B. "In Mantua sie banden den treuen Hofer an." ... damit's auch der letzte I...t checkt!

     
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    Village Pizza
    vor 12 Monaten

    Ach so, ich dachte ein Leben lang Mantua liegt halt in Italien und da wird es viele Banden geben. Großes Missverständnis! Danke danke danke für die Aufklärung!

     
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