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Van der Bellen appelliert: „Eigene Blase verlassen!“

"Reden Sie mit Leuten, die Sie nicht kennen. Die nicht zu Ihrer Gruppe gehören."

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei der Eröffnung der 103. Salzburger Festspiele zu Optimismus und Miteinander aufgerufen. Nachdem er vor einer Woche in Bregenz die Politik wegen ausgrenzender Sprache mahnte, richtetet er sich am Donnerstag an die Bevölkerung, und zwar mit der Aufforderung, die eigene "Blase" zu verlassen: "Reden Sie mit Leuten, die Sie nicht kennen. Die nicht zu Ihrer Gruppe gehören." Er selbst folgt jetzt Norbert Hofer (FPÖ) - auf Instagram. Die Leistbarkeit des Lebens, der Zusammenhalt der Gesellschaft, Migration, Krieg und Klimanotstand seien nur einige von vielen Themen, die den Menschen Sorge bereiten würden. Deshalb verunsichert zu sein, sei nur menschlich, betonte das Staatsoberhaupt. Man solle den Herausforderungen aber nicht mit Fatalismus oder Verleugnung begegnen. Stattdessen empfiehlt der Präsident den Mittelweg des "begründeten Optimismus". Darunter stellt sich Van der Bellen folgendes vor: "Begründeter Optimismus behauptet nicht einfach nur naiv, dass sich das schon alles irgendwie ausgehen würde. Er ist nicht das Pfeifen im Walde, das die Angst vertreiben soll." Viel eher solle man den Blick schärfen, "für die vielen guten Beispiele, die es in unserem Land gibt". Das sei in "unseren Tagen" auch eine der wichtigsten Aufgaben der Politik: "Ein Bild von einer gemeinsamen Zukunft zu entwerfen, auf die man sich freuen kann. Und ein Bild von einer gemeinsamen Gesellschaft zu entwerfen, an der die Einzelnen gerne teilnehmen, weil jede und jeder das Gefühl hat: ja, das ist auch meine Gesellschaft." Als für ihn offensichtlichstes Beispiel führte Van der Bellen das Leben in einer liberalen Demokratie an. "Jeder Mensch kann im Rahmen der Menschenrechte und Menschenpflichten tun und lassen, was jeder Mensch tun oder lassen will. Jeder Mensch kann lieben, wen er will, kann sein, wer er ist. Können wir uns kurz einmal darüber freuen, dass das so ist?" Die liberale Demokratie sei aber nicht selbstverständlich, und "wir tun gut daran, diese liberale Demokratie zu beschützen". In Österreich habe man die Zeit, "in der Menschenrechte bestenfalls selektiv gegolten haben", überwunden. "Weil wir Menschen gar nicht anders können, als zum Licht zu streben. Wir sind da auch nicht anders als die Pflanzen."
Ein Bundespräsident in den Tiefen des Netzes: „Warum nicht einmal die Algorithmen verwirren?“ fragt Alexander Van der Bellen. Foto: APA
Eine Bedrohung dieser liberalen Demokratie sei die abnehmende Toleranz und fehlender respektvoller Umgang. Van der Bellen rief dazu auf, die eigene "Blase" zu verlassen - sowohl auf Social Media als auch analog - und mit Menschen anderer Meinung ins Gespräch zu treten. "Wieso nicht einmal die Algorithmen verwirren, indem wir auch denen "followen", deren Meinung vielleicht nicht so ganz unserer Meinung entspricht?" Dadurch solle wieder das Bild einer "gemeinsamen Realität" entstehen, und nicht "Follower von Herbert Kickl glauben, in einer ganz anderen Welt zu leben als Follower von Werner Kogler (..)." Symbolisch dafür zückte Van der Bellen vor dem Publikum sein Smartphone und "abonnierte" den Instagram-Account seines ehemaligen Konkurrenten um die Präsidentschaft, Norbert Hofer (FPÖ). Diesem richtete er aus: "Falls Sie zuhören, Sie können ruhig auch dem Account von Greta Thunberg followen zum Beispiel. Wenn Sie es nicht schon tun." Und den Menschen im Publikum, darunter Vertreter der türkis-grünen Bundesregierung: "Folgen Sie einmal Fridays For Future. Oder dem Autofahrerclub. Ändern Sie die Spielregeln." Hofer will dem Rat des Bundespräsidenten nicht Folge leisten, wie er gegenüber der "Kronen Zeitung" erklärte: "Greta Thunberg folge ich nicht und ich habe auch nicht vor, auf Zuruf jene auszuwählen, denen ich folgen soll." Er folge allerdings "seit Jahren Menschen mit anderen Weltanschauungen auf Twitter, so auch dem Bundespräsidenten, dem Vizekanzler, dem Bundeskanzler, dem US-Präsidenten Joe Biden und anderen." "Bringen Sie Ihre Blase zum Platzen!" lautete der Schlussappell des Bundespräsidenten. "Gehen Sie ins Gasthaus, auf den Fußballplatz, in den Sportverein, ins Theater, reden Sie miteinander. Tauschen Sie Ihre Ansichten aus und hören Sie einander zu. (...) Wir müssen uns nicht mögen, um uns zu liken. Wir müssen uns auch nicht aufs Wort folgen, um uns zu followen." Er wünsche sich einen Zustand, in dem "uns eine andere Meinung nicht mehr provoziert, oder triggert", sondern in dem diese Meinung genutzt werde, um dann einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln und "das Beste aus dem anderen herauszuholen und nicht das Niedrigste". Zudem wiederholte er seine Aufforderung, als Gesellschaft "konstruktiv zu streiten". In eine ähnliche Kerbe schlugen auch Van der Bellens Vorredner. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) rief dazu auf, sich trotz Krisen die Zuversicht nicht nehmen zu lassen. Anton Zeilinger sprach in seiner Festrede davon, sich die Frage zu stellen, "warum extreme populistische Positionen so viele Anhänger" hätten. "Vielleicht geht es darum, dass sie gehört werden müssen. Vielleicht sollte man sich mit ihnen an den Stammtisch setzen", so der Nobelpreisträger.

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3 Postings

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vor 9 Monaten

Richtig gesagt Hr. Bundespräsident aber auch sie müssen ihre eigene Blase verlassen.

 
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    Bahner Bernd
    vor 9 Monaten

    Van der Bellen ist der Anwalt einer offenen Gesellschaft. Das konsequente Vertreten und Einmahnen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten bis in alle Lebensbereiche ,frei von ideologischen und parteipolitischen Vorgaben, bedeutet eben nicht , in einer Blase zu agieren. Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz, aber sich um Verständnis für ihr Umfeld und ihre Ursachen zu bemühen, das müssen die Prämissen für eine offene,demokratische Gesellschaft sein. Seien wir froh über Leute wie VdB, Zeilinger und viele andere., die als Meinungsbildner, Gott sei Dank , bei uns noch immer das größte Gewicht haben.

     
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      Edi1913
      vor 9 Monaten

      haben die leider nicht mehr, zumindest nicht in Osttirol! Da wäre in vielen Gemeinden das Hoferlein als Bundespräsident lieber gewesen. Siehe Wahlergebnisse.

       
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