Matrei: Chronologie einer angekündigten Pleite

Eine Anfrage, gestellt von der FPÖ und beantwortet von Anton Mattle, lässt tief blicken und entlastet die Behörden. 

Es war die FPÖ, konkret deren Klubobmann Markus Abwerzger, der im August-Landtag an den Tiroler Landeshauptmann eine lange Liste an Fragen adressierte, um etwas Licht in das Dunkel des Matreier Schuldendebakels zu bringen. Wie mehrfach berichtet, hat die Tauerngemeinde über die Jahre rund 35 Millionen Euro an Verbindlichkeiten angehäuft und wäre ohne Intervention des Landes wohl konkursreif gewesen. Mit einer 6,6-Millionen-Euro-Geldspritze, langfristigen Stundungen und einem Sanierungsplan wurde das Schlimmste abgewendet, nicht nur von der Gemeinde, sondern auch von rund hundert Gläubigern. Mit den involvierten Banken wird immer noch verhandelt.

Immer wieder wird auch in den Foren von dolomitenstadt.at nach den Ursachen geforscht und die Schuldfrage gestellt. Sie drängt sich auch deshalb auf, weil Matrei als eine Art regionale Autokratie mit einem sehr dominanten Langzeit-Bürgermeister Andreas Köll galt. Der Jurist Köll, nicht nur Bürgermeister, sondern politischer Multifunktionär, Bergbahn-Geschäftsführer und BKH-Verbandsobmann war allen, die mit ihm zu tun hatten, als ein knallharter Politprofi bekannt, der kaum Widerspruch duldete, schon gar nicht in der eigenen Fraktion.

Wohl auch deshalb beziehen sich eine ganze Reihe von Fragen aus Markus Abwerzgers Katalog auf die Rolle des Ortskaisers, der im politischen Ruhestand jede Schuld an der Misere seiner Gemeinde entrüstet von sich weist. Mattles Antworten auf Abwerzgers Fragen lassen bei näherer Betrachtung zwar tief blicken, Kölls Anteil an der Pleite und auch die Frage nach konkret verantwortbaren Fehlern bleiben aber im Dunkeln: „Die Beurteilung dieser Fragen fällt nicht in den Aufgabenbereich der Landesregierung, sondern in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit“, schreibt der Landeshauptmann. 

Wann kippte die Tauerngemeinde Matrei in ein Schuldendebakel, wer wusste davon und wer war dafür verantwortlich? Foto: Expa/Groder

Nicht unspannend ist der in vielen Fragen auftauchende Hinweis auf das Jahr 2008. „Zu welchem Zeitpunkt erlangten Mitglieder der Tiroler Landesregierung insbesondere LH a.D. Platter und LR a.D. Mag. Tratter seit 2008 Kenntnis über die finanzielle Schieflage der Gemeinde Matrei in Osttirol?“, lautet gleich die erste Frage und daran schließen sich weitere Fragen etwa nach Aktenvermerken der Bezirkshauptmannschaft „seit dem Jahr 2008“ an. Es könnte also sein, dass bereits vor 15 Jahren erste Zweifel und Kritik an der Gebarung in der Tauerngemeinde auftauchten. Der Landeshauptmann geht nicht darauf ein.

Seit 2010 berichtet dolomitenstadt.at regelmäßig über dieses Thema, seit 2012 ist die Misere jedenfalls amtlich und die Auflistung der jahrelangen, durchaus ambitionierten Versuche der Behörden, die Matreier Talfahrt zu stoppen, lässt tief blicken. 

Mehr als ein Dutzend Mal wurden Darlehensaufnahmen und Ausweitungen von Giro-Kontenrahmen nicht genehmigt. Andreas Köll versuchte immer wieder, gegen die Versagung der Behörde zu klagen. Prüfungen, Sachverhaltsdarstellungen, immer wieder Gebarungseinschau, Mitteilungen der BH an die Gemeinde, Einladung des Bürgermeisters und aller Gemeinderät:innen zu klärenden Gesprächen, Einschaltung der Staatsanwaltschaft – die Liste der Interventionen liest sich wie die Chronologie einer angekündigten Pleite und enthüllt, dass nicht behördliches, sondern viel eher politisches Versagen die Tauerngemeinde in den Ruin trieb. 

Am Ende folgte auf die kollektive Realitätsverweigerung dann doch die Stunde der Wahrheit. Liest man das hier zum Download verfügbare Dokument, dann wird deutlich, dass alle politischen Insider innerhalb und außerhalb des Bezirkes seit mehr als einem Jahrzehnt die Krise und ihre Verursacher vor Augen hatten. Dennoch deutet auch Mattles Beantwortung der Anfrage darauf hin, dass bei der Aufarbeitung die Augen und Ohren dort geschlossen werden, wo nach konkreter Verantwortung gefragt wird. 

Die komplette Anfragebeantwortung zum Download.

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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17 Postings

tauernwind

Es scheinen ja einige Wissende hier im Forum zu sein aber wenn ich mir das alles durchlese wird genauso nur über die Katz im Sack philosophiert (oder politisiert) und ich als Unwissender komme keinen mm weiter. Ich als Steuerzahler will wissen wer hat wann/wo/wie viel Geld zu unrecht erhalten...... dem Anschein nach muss es da ja unzählige Fälle geben.

 
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    Bahner Bernd

    Ohne ein Gerichtsverfahren wird man es nie erfahren .

     
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      tauernwind

      Nicht Zwangsläufig, am Beispiel von dietiwag.org sah man wie viel von direkt Wissenden als "whistle blower" zum Tageslicht kam, Gerichtsverfahren gab es dann meist von den Ertappten in Richtung dieser genannten Plattform. Es gibt den Spruch "angekündigte Revolutionen finden nicht statt", mir kommt es da so ähnlich vor, von allen Seiten hörte man - na so schieche - den werds fressen - ingsperrt werd er..... alles nur Getose ohne konkrete Fakten.

       
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Bahner Bernd

Ich bin ja kein Jurist. Aber müßte da nicht die Justiz von sich aus schon längst tätig werden ? Immerhin stehen schwere Offizialdelikte wie Amtsmissbrauch und Veruntreuung im Raum . Aber vielleicht beginnen die zuständigen Mühlen ohnehin bereits langsam zu mahlen. Das lähmende Gezänke , das Herumschieben von Verantwortlichkeiten und die Kalmierungsversuche auf der politischen Ebene führen zu nichts und sind nicht angetan, mir das Gefühl des Misstrauens und der Ohnmächtigkeit gegenüber dieser zu nehmen.

 
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    Chronos

    Eine jahrzehntelange grob fahrlässige Finanzgebarung mit dem Matreier Gemeindebudget ist AK allemal zuzurechnen. Die erforderliche Sorgfaltspflicht von Ex-Bgm. AK und seiner Liste, welche unterwürfig bei Gemeinderats-Abstimmungen die Hand in die Höhe geschnellt haben, ist in vielen budgetären Bereichen, auffallend klar nicht erkennbar. Und politische Verantwortung - natürlich, JA! Selbst da windet sich AK und Politiker seines Schlages...

    Bei Amtsmissbrauch oder Veruntreuung (wie Sie richtig sagen, Offizialdelikte – werden von der StA von Amts wegen verfolgt) benötigt es jedoch einen Vorsatz! "Dolus directus" – Elemente des Wollens bzw. des Wissens oder "dolus eventualis" – den Eintritt des Erfolges (Schadens) für möglich halten und billigen. Selbst die erbittertsten Rivalen von AK werden das, wenn man die Rechtsmaterie genauer betrachtet, kaum für möglich halten.

    Auch wenn damals der Ex-Bgm. den schädlichen Erfolg seines Handelns nicht gewollt hat, auch nicht gewusst hat, dass dieser eintritt, jedoch für wahrscheinlich bzw. ernstlich für möglich gehalten hat und sich damit abgefunden hat (- bedingter Vorsatz), ist auch schwer haltbar. Deshalb erfolgt keine Strafverfolgung. Es müsste schon jemand anzeigen. Erfolg, aus meiner Sicht sehr gering. Zudem kommt hinzu, wie bei jedem Strafdelikt: "In dubio pro reo". Zweifel werden kaum auszuschließen sein. Deshalb ist es sehr schwer, dass Politiker strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

    Es sollte zudem in diesem Bereich – für Politiker und Manager – Gesetze im Verwaltungsstrafrecht mit hohen Verwaltungsstrafen geschaffen werden. Da reicht Fahrlässigkeit für eine Verurteilung. Jedoch werden Politiker im Parlament nie und nimmer einfache Gesetze gegen ihren Berufsstand erlassen!!!

    Wie wir aus Erfahrung wissen, übernehmen Politiker in Ö ganz selten, nicht einmal politische Verantwortung für ihr Handeln.

     
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      Bahner Bernd

      Herzlichen Dank für Ihre profunde, offensichtlich von großer Sachkenntnis getragene Klarstellung. Leider ziemlich ernüchternd.

       
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      senf

      Nein, man möchte es nicht wissen, ob und wie oft der Abgm. Andreas hinter vorgehaltener Hand gegenüber der Opposition gemeint hat "jetzt erst recht" oder "und jetzt zu fleiss", womit eigentlich die Wirkung des Vorsatzes "Dolus directus" (s.o.) zwar lesbar, aber nicht beweisbar wird. Nicht wenige Ausgaben für sinn- oder unsinnige projekte dürften so ja aus der fehde "kölisch - schmunzerisch" entstanden sein, wie man es ja einige mal medial zu hören bekam. Die sachliche Ebene endete ja oftmals auch in der persönlichen. Für teures Geld!

       
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tauernwind

".....durchaus ambitionierten Versuche der Behörden, die Matreier Talfahrt zu stoppen, lässt tief blicken." ich verstehe den Zusammenhang da nicht, aber ein schönes Bild der Talabfahrt! Und gut das sie kommt!

 
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iseline

Grundsätzlich muss man feststellen, dass auf sehr detaillierte Anfragen aller Parteien, meist sehr allgemein, diffus und kurz geantwortet und häufig auf andere Zuständigkeiten verwiesen wird.

Trotzdem hält A. Mattle extra fest, dass zur Anfrage nach „politischen Interventionen“ (Fragen 21 bis 24) an den früheren LH Platter, J. Tratter und A. Köll, der Landesregierung die oberste Leitungs- und WEISUNGSbefugnis zukommt. Das ist eigentlich klar, aber wie diese gesetzlich verankerte Verantwortlichkeit dann konkret ausgeübt wurde, erfahren wir wieder nicht.

Genau das macht so politverdrossen, dieses Herumeiern, das Schönreden (Gemeindesanierung zulasten der Steuerzahler gelungen), das Wegschieben von Verantwortlichkeiten, fehlende Aufklärung und Herausgabe von Informationen meist nur dann, wenn der Druck groß genug ist. Und dazu einen Landeshauptmann, langjähriger Weggefährte der Obgenannten, der lieber zudeckt, als aufdeckt.

 
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AkOnO

Ja wie jetzt?! DolomitenStadt und FPÖ sind sich irgendwo einig? Wahnsinn, hätte ich mir nie gedacht! Tiptop 😉

 
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    Enrico Andreas Menozzi

    Schaut eher so aus , das nach so vielen Jahren Berichterstattung von DolomitenStadt Magazin , die blinde FPÖ das Thema endlich entdeckt hat . Dafür das Matrei so eine starke FPÖ ( 27% letze Wahl ) Wählerschaft hat und gerne einen deutschnationalen Bundespräsidenten ( Wahl 2016) in Wien sehen würden , haben sie lange gebraucht , die Kornblumenblaue Skandal Partei .

     
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    Vlad Tepes

    Einer Meinung mit der FPÖ zu sein ist nicht schwer. Die FPÖ sagt nähmlich als rechtspopulistische Partei das, was gewisse Menschen gerne hören, um deren Wohlwollen und Wählerstimmen zu erlangen. Diese Tatsache wollen diese Menschen natürlich nicht wahrhaben und gehen dieser Partei somit auf den Leim. Einfaches Rezept, aber sehr effektiv...

     
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defregger

Es ist selbst von den "nichtganzsoschlauen" türkisschwarzbraun Wählern NICHT zu übersehen, überlesen, was von OBEN nach UNTEN zu geschehen hat.

Fazit: Wähle RICHTIG!

 
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multi 1

Wenn man in der richtigen Gesinnung ist, geht in Tirol alles.

 
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steinbeisserei

Natuerlich mauert Mattle wie ein Irrer denn es darf ja nichts aufkommen was der Partei schadet.Das ist aber in der Tiroler Volkspartei schon immer so gewesen denn sogar der zuständige für Tourismus Hr.Föger weigert sich den TVBO unter die Lupe zu nehmen den wäre ja schlecht fürs Image wenn man erklären muss warum so viel geld für NICHTS verschleudert wird.So nach dem Motto....es zahlen eh die anderen.......

 
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Chronos

Mag sein, dass ich noch zu jung bin. Soviel kann ich jedoch über die jahrzehntelange, politische Lage bzw. finanzielle Gemeinde-Misere in Matrei sagen und man könnte es nicht besser beschreiben als der Chefredakteur in diesem Artikel:

"(…) weil Matrei als eine Art regionale Autokratie(!) mit einem sehr dominanten Langzeit-Bürgermeister Andreas Köll galt. …Köll, nicht nur Bürgermeister, sondern politischer Multifunktionär, Bergbahn-Geschäftsführer und BKH-Verbandsobmann war allen, die mit ihm zu tun hatten, als ein knallharter Politprofi bekannt, der kaum Widerspruch duldete… (…) die Rolle des Ortskaisers, der im politischen Ruhestand jede Schuld an der Misere seiner Gemeinde entrüstet von sich weist."

Man sieht wie die "Schwarze-Manda-Politik", im Speziellen zu LH Platters Zeiten, gelaufen ist! Die Behörde (BH Lienz) hat gar nichts zu sagen, wenn die mächtigen, VP-dominaten Politiker aus dem Landhaus intervenieren und schützend gegenüber den ihrigen (Köll – "alles Familie") eingreifen.

Nicht "eher", sondern TOTALES (- ich darf mir erlauben, das auszusprechen!) politisches Versagen der Tiroler ÖVP!!! Eine Verantwortung - politisch, als auch strafrechtlich - wird dann reflexartig von sich gewiesen…

 
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    GoggeWanz

    Ich hätte es nichr besser schreiben können !

     
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