Bei den Mieten gab es im ersten Quartal 2023 einen Rekordanstieg. Aktuell stehen die gemeinnützigen Wohnbauträger in der Kritik. Im Bild ein Projekt des Friedenswerks in Lienz.

Bei den Mieten gab es im ersten Quartal 2023 einen Rekordanstieg. Aktuell stehen die gemeinnützigen Wohnbauträger in der Kritik. Im Bild ein Projekt des Friedenswerks in Lienz.

Genossenschaften in der Kritik: Stimmt die Rechnung?

Gemeinnützige Wohnbauträger nach Mieterhöhungen unter Druck. Spurensuche auf einem überhitzten Markt.

„Der Hut brennt lichterloh“ – so das Fazit von Liste Fritz-Klubobmann Markus Sint im Rahmen des Teuerungs-Sonderlandtages in dieser Woche. Dass der vom Land geförderte Wohnbau über gemeinnützige Baugesellschaften wie die Neue Heimat Tirol (NHT) „versagt“ habe, beweise ein Beispiel aus Pertisau, so Sint: „Dort hat sich eine 2018 von der NHT errichtete Wohnanlage mit 17 Wohnungen und 19 Tiefgaragenplätzen bereits fünf Jahre nach dem Einzug für die Bewohner zu einem finanziellen Albtraum entwickelt.“

Eine Familie bezahle dort statt monatlich 783 Euro im Jahr 2018 jetzt satte 1.200 Euro. „Für die 88-Quadratmeter-Wohnung fällt heute ein Quadratmeterpreis von 13,69 Euro an. Sozialer und leistbarer Wohnbau schaut anders aus. Das sind Preise wie am freien Markt“, zeigte sich Sint entsetzt.

In Anbetracht der steigenden Mieten bei den gemeinnützigen Wohnbauträgern hat Landeshauptmann Anton Mattle eine Abfederung durch ebendiese gefordert und Beteiligungslandesrat Mario Gerber als Eigentümervertreter beauftragt, eine entsprechende Lösung zu erarbeiten. Besonders betroffen waren Objekte der Neuen Heimat Tirol (NHT). Eine Anfrage von dolomitenstadt.at zur Mietentwicklung der NHT blieb unbeantwortet.

„Gemeinnützigkeit bedeutet, das Gemeinwohl im Blick zu haben. Deshalb können sich Wohnbauträger nicht allein auf steigende Zinsen oder andere Faktoren herausreden, sondern müssen alle Möglichkeiten nützen, um die Preissprünge im Sinne ihrer Mieter:innen abzufedern. Die NHT wird zusätzliche Eigenmittel in der Höhe von rund fünf Millionen unmittelbar zur Abfederung der gestiegenen Mietkosten bei besonders betroffenen Objekten bereitstellen“, so Mattle.

Die TIGEWOSI habe entsprechende Schritte bereits gesetzt. Insgesamt sollen die NHT und die TIGEWOSI im heurigen Jahr über 38 Millionen Euro an Eigenmittel aufwenden, um Steigerungen abzufedern. Eine Steigerung der Mieten gab es auch in Osttirol – beispielsweise bei der Osttiroler gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft (OSG).

Wie deren Geschäftsführer Wolfgang Wilhelmer berichtet, liegen die Quadratmeterpreise bei einer 90-Quadratmeter-Wohnung in Osttirol im Schnitt bei elf bis 13 Euro. Ein Heim in dieser Größe kostet also warm und mit Betriebskosten bereits über 1.000 Euro, vor Beginn der massiven Teuerung lag die Miete noch bei 700 bis 800 Euro. „Damit liegen wir aber immer noch deutlich unter dem Niveau, das wir mit Indexanpassungen in den letzten 20 Jahren erreicht hätten“, so Wilhelmer.

Die OSG habe zudem preisdämpfende Maßnahmen getroffen. Weil die Gemeinnützigen nach dem Kostendeckungsprinzip agieren – sprich ohne Gewinnspanne – ist man bei den Mieten an keinen Index gebunden, es bleiben also rein die Finanzierungskosten. Um hier die Preissprünge abzufedern, hat die OSG die Laufzeit der Bankdarlehen für ihre Objekte verlängert. „Wir hatten dann eine Erhöhung im Frühjahr. Die Mieter:innen haben das angenommen, viele haben sogar mit einem höheren Sprung gerechnet“, erklärt Wilhelmer.

OSG-Geschäftsführer Wolfgang Wilhelmer: „Unsere Mieter:innen haben einen größeren Preissprung erwartet.“ Foto: OSG/Brunner Images

Vor allem bei Objekten, die schon einige Jahre auf dem Buckel haben, würden sich durch den Vorsprung in der Finanzierung „gute Ergebnisse“ bei der Mietanpassung erzielen lassen. Bei neuen Projekten müsse die OSG mittlerweile aber zu 30-jährigen Finanzierungen greifen. Wilhelmer: „Sonst können wir nicht mehr auf den Markt gehen.“

Dort, wo die Mieten aufgrund der Entwicklung der letzten Zeit nicht mehr verträglich sind, versucht neben der OSG auch das gemeinnützige Tiroler „Friedenswerk“, die Darlehen zu strecken. „Eine Streckung ist jedoch auf maximal 35 Jahre möglich und der Effekt wirkt sich aufgrund des hohen Zinsniveaus leider nur in eingeschränktem Maß aus“, erklärt Christian Fauner, der das Rechnungswesen des Friedenswerks leitet.

Lagen die Wohnungsmieten im Jahr 2021 durchschnittlich zwischen 6,00 und 8,50 Euro netto, liegen diese beim Friedenswerk momentan zwischen 7,50 und 11,00 Euro – inklusive Betriebskosten und Heizkosten, jedoch ohne Umsatzsteuer. „Die Miethöhe schwankt hier aufgrund des Alters und der Lage des Objektes sowie wegen des verbrauchsabhängigen Verhaltens der Mieter:innen“, so Fauner.

„Hier möchten wir besonders hervorheben, dass die Miete bei unserem Altbestand in Osttirol – der sogenannten ‚Friedensiedlung‘ – aktuell bei rund fünf Euro liegt. Vorher lag sie geringfügig darunter. Dieser absolut konkurrenzlose Preis ergibt sich aufgrund der rechtlichen Bestimmungen“, betont Fauner. In der ausfinanzierten Lienzer Friedensiedlung stehen über 330 der rund 600 vom Friedenswerk in Osttirol verwalteten Mietwohnungen, die von diesen günstigen Mieten profitieren.

In der Lienzer Friedensiedlung liegen über 330 der 600 Mietwohnungen des Friedenswerks. Foto: Wolfgang C. Retter

Als größte Kostentreiber nennt auch das Friedenswerk die gestiegenen Zinsen sowie die teilweise deutlich höheren Betriebs- und Heizkosten. Fauner nennt ein Neubauprojekt als Beispiel: „Im Vergleichszeitraum 30. Juni 2022 und 30. Juni 2023 hat sich die Annuität des Kapitalmarktdarlehens um rund 50 Prozent erhöht. Die Zinsen haben sich durch die Erhöhung des EURIBOR 2023 fast vervierfacht. Wir geben hier die anfallenden Tilgungen sowie die Zinsen im Sinne des Kostendeckungsprinzips weiter.“

Die Betriebskosten haben sich im Vergleich zum Vorjahr größtenteils um über zehn Prozent erhöht, wobei hier der größte Kostentreiber meist die Heizkosten sind. Jene Anlagen, welche über eine Gasversorgung verfügen, seien laut Fauner grundsätzlich die höchsten Kostentreiber. Alle anderen Kosten hätten sich „annähernd im Ausmaß der Inflation entwickelt und sind wohnungsrechtlich vorgegeben.“

„Um den gesamten Bedarf an leistbaren Wohnungen zu decken, fehlt das Angebot.“

Franz Mariacher, GBV-Landesgruppe

Weitere Gründe für Erhöhungen seien je nach Alter des Mietobjektes die Annuitätensprünge der Wohnbauförderdarlehen sowie die Senkung oder der Wegfall des Annuitätenzuschusses des Landes Tirol. „Um den gesamten Bedarf an leistbaren Miet- und Eigentumswohnungen zu decken, fehlt das entsprechende Angebot. Dafür benötigt es weitere, preisdämpfende Maßnahmen“, mahnte unlängst Franz Mariacher, Obmann der zuständigen Landesgruppe in Tirol.

Entsprechende Schritte seien Deregulierungen bei den Standards der Wohnungen, strengere bedarfsbezogene Grundstückswidmungen, Ausdehnungen der Vorkaufsrechte für Gemeinden, eine weitere Erhöhung der Förderdarlehen, variablere Gestaltungs- und Anpassungsmöglichkeiten des Bankdarlehens sowie höhere Eigenmitteleinsätze durch die gemeinnützigen Bauträger.

„Mieter:innen in älteren Genossenschaftswohnungen oder in Gemeindewohnungen sind besser vor horrenden Mieterhöhungen geschützt als Personen, die dem privaten Mietmarkt ausgeliefert sind. Umso wichtiger ist es, sicherzustellen, dass gemeinnützige Bauträger und Gemeinden günstiges Bauland für die Errichtung von Wohnungen erwerben können“, betont Alexander Huber, Wohnexperte am Momentum Institut. In Anbetracht der hohen Immobilienpreise sei das zunehmend schwerer. Die Zahl der Baubewilligungen sank 2022 um 40 Prozent.

Elisabeth Blanik fordert: „Wir müssen Gemeinnützigkeit neu denken.“ Foto: EXPA/Groder

„Uns stehen schwere Zeiten ins Haus und wir werden uns auf Veränderungen einstellen, uns noch mehr anstrengen müssen“, erklärte die Lienzer Bürgermeister Elisabeth Blanik nach der Sondersitzung zur Teuerung im Tiroler Landtag. Beim Wohnbau bleibe die Gemeinnützigkeit „ein Schlüssel zur Leistbarkeit. Wir müssen Gemeinnützigkeit aber neu denken.“

Die Vizelandtagspräsidentin setzt große Hoffnungen in die anvisierte Wohnbedarfsstudie: „Sie wird zeigen, was wir brauchen, wo wir es brauchen und wie wir dorthin kommen.“ Zeitgleich gelte es, auch „eine moralische Diskussion“ zu führen. „Moralisch wäre es, endlich die Sozialpflichtigkeit im Eigentumsbegriff zu verankern. Dafür braucht es eine Änderung der Verfassung und dafür müssen wir alle an einem Strang ziehen“, so Blanik.

„Es müssen sämtliche Beteiligte alles daransetzen, dass unser gemeinnütziges Modell, welches von der OECD als ‚Best practise‘ empfohlen wurde, auch weiterhin gut funktioniert“, so Mariacher. Eine umstrittene Maßnahme hat die Bundesregierung gesetzt und damit vor wenigen Wochen die gemeinnützige Wohnungswirtschaft offenbar völlig unvorbereitet getroffen. Angekündigt wurde ein großflächiger Mietpreisdeckel im gemeinnützigen Wohnungsbau. In den kommenden drei Jahren sollen die Mieten um maximal fünf Prozent jährlich ansteigen dürfen.

„Ein Paradebeispiel dafür, wie man dem gemeinnützigen Wohnen zielsicher ins Knie schießen kann.“

Klaus Baringer über den Mietpreisdeckel

Dies werde nur die ohnehin schon preisregulierten Sektoren und damit „die Falschen“ treffen, heißt es im Verband der Gemeinnützigen Wohnbauträger. 160 Millionen Euro würden künftig im Sektor fehlen. Durch die Maßnahme werde der Neubau von leistbaren Wohnungen und die Sanierung des Altbestandes „zunehmend unmöglich“, hieß es im Verband.

„Ein Paradebeispiel dafür, wie man dem österreichischen Modell des gemeinnützigen Wohnens zielsicher ins Knie schießen kann“, so Bundesobmann Klaus Baringer, der den roten Genossenschaftern angehört, im Ö1-„Morgenjournal“.

Dolomitenstadt-Redakteur Roman Wagner studierte an der FH Joanneum in Graz und ist ein Reporter mit Leib und Seele. 2022 wurde Roman vom Fachmagazin Österreichs Journalist:in unter die Besten „30 unter 30“ gewählt.

Das könnte Sie auch interessieren

Landesregierung will Mieten bei Gemeinnützigen abfedern

Neue Heimat und TIGEWOSI sollen zusätzliche Eigenmittel zu Abdämpfung der Kosten einsetzen.

2

6 Postings

soomanides

Wer hätte gedacht, dass Wohnen auch bei uns so teuer wird, wie wir es jetzt schlucken müssen? Die vielen Faktoren der Teuerung sind im Bericht erschöpfend aufgezählt. Zur Finanzierung fürs Wohnen fallen zusätzlich Belastungen für die Einrichtung an. Man will schießlich herzeigbar, modernst eingerichtet, sein. Das kostet. Nicht wie es früher unsere - (nicht nur) in Geldfragen konservativen - Eltern gemacht haben. Zuerst das Wichtigste, dann sehen wir weiter. Ich befürchte, dass die Stadt Lienz die Indexanpassungen 2023 für Müllentsorgung und Wasser/Kanal in voller Höhe budgetieren wird. Dabei wären um die fünf (!) Prozent genug, Frau Bürgermeisterin mit Gemeinderäten und Gemeinderätinnen. Zudem fallen, wie ich höre, bei älteren Objekten, jahrelang verschobene Investitionen in Millionenhöhe (!) an, die zu zusätzlichen Belastungen führen. Auf das rechzeitige Ansparen wurde "vergessen", was sich jetzt, plus Preisteigerungen am Bausektor, horrend belastend, auswirkt. Alles in Allem, keine erfreuliche Entwickung. Beim Einkauf im Supermarkt kann man auch sparen, wenn man nicht kauft, was Woche für Woche in ganzseitigen Inseraten und Postwürfen (zB Bier, teurer Wein, Aperol, u.u.u.) beworben wird. Ich will keinen Kaufstreik ausrufen. Aber beim Einkaufen genauer hinschauen werde ich in Zukunft schon, damit meiner Bankkarte beim Zahlen nicht zu heiß wird. Jetzt gibt es sogar eine App, wo automatisch Prozente für Sonderangebote abgebucht werden. Trotzdem werde ich mich nicht zu Mehrausgaben - das bezweckt die Werbung - verführen lassen.

 
0
3
Sie müssen angemeldet sein, um ihre Stimme für dieses Posting abzugeben.
aktuell

Der "Gemeinnützige Wohnbau" ist inzwischen zum großen Geschäft für die "Gemeinnützigen" geworden.

 
2
7
Sie müssen angemeldet sein, um ihre Stimme für dieses Posting abzugeben.
    ruhigblut

    Eine Packelei zwischen Gemeindeoberhäuptern, Grundbesitzern und ausführenden Firmen treibt die Kosten für "sozialen Wohnbau" ins Bodenlose. Ein paar Wenige profitieren auf Kosten Vieler. Die Raumordnung gehört den Gemeinden entzogen. Ein Mitspracherecht unter sozialem Gesichtspunkten kann man ja durchaus zugestehen, mehr aber auch nicht, sonst geht dieses undurchsichtige Spiel ewig weiter!

     
    1
    6
    Sie müssen angemeldet sein, um ihre Stimme für dieses Posting abzugeben.
Omo

Warum brennt der Hut? Weil die GRÜN:Innen es so wollen und die restliche Regierung schon längerer Zeit im Standby befndet!

 
12
6
Sie müssen angemeldet sein, um ihre Stimme für dieses Posting abzugeben.
wolf_C

... endlich ist es amtlich, gewohntes ''wohnen'' geht nur mehr für reiche Mitbürger ...

 
5
15
Sie müssen angemeldet sein, um ihre Stimme für dieses Posting abzugeben.
    bergfex

    Es werden wohl mehr Brücken gebaut werden müssen, der Wohnbedarf steigt.

     
    3
    4
    Sie müssen angemeldet sein, um ihre Stimme für dieses Posting abzugeben.
Ein Posting verfassen

Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren