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Polemiken rund um „Inseraten­affäre“ des Bauernbunds

Ein durchgesickerter Rechnungshofbericht erregt die Gemüter der Opposition. Der Bauernbund dementiert.

Eine 2022 von der Liste Fritz gemeinsam mit der FPÖ beantragte Sonderprüfung des Landesrechnungshofes über das Fließen von Spenden-, Inseraten- und Sponsoringgeldern von Unternehmen mit Landesbeteiligung an politische Parteien und ihnen nahestehende Organisationen birgt offenbar Sprengstoff. Der Bericht ist zwar noch nicht offiziell veröffentlicht – das soll in zwei bis drei Wochen der Fall sein – aber inhaltlich ist wie so oft schon einiges durchgesickert.

Im Prüfzeitraum von 2008 bis 2022 sollen demnach rund 1,7 Mio. Euro von Unternehmen des Landes an parteinahe Organisationen geflossen sein, wobei nur zwei Parteien profitierten: zu 99,8 Prozent die ÖVP und zu 0,2 Prozent die SPÖ. Der Löwenanteil dieser Transaktionen entfällt auf Inserate, die von der Tiwag (473.000 Euro) und dem Agrarmarketing Tirol (1,1 Mio. Euro) in Form von Inseraten an Medien des Tiroler Bauernbundes geflossen sind. Der Bauernbund ist eine Teilorganisation der ÖVP, also eine Parteiorganisation.

„Die ÖVP greift regelmäßig und seit Jahren unverschämt und ungeniert in die Kassen der Landesunternehmen. Die ÖVP hat sich jahrelang mit dem Geld der Steuerzahler und über den Umweg von ÖVP-Teilorganisationen wie dem ÖVP-Bauernbund und zusätzlich zur offiziellen Parteienförderung mit Spenden, Sponsorings und Inseraten fördern lassen. Unter ÖVP-Parteiobmann Günther Platter und auch noch unter ÖVP-Parteiobmann Anton Mattle hat die ÖVP die Landesunternehmen als Selbstbedienungsladen missbraucht. Das ist das System ÖVP, politisch schamlos und moralisch verkommen!“, wettert Klubobmann Markus Sint von der Liste Fritz gewohnt drastisch.

„Vollkommen fassungslos“ zeigt sich NEOS Klubobmann Dominik Oberhofer über die Ergebnisse des Landesrechnungshofberichts zum Sponsoring von Parteien von Landesunternehmen: „Wenn es um die ÖVP und verdeckte Parteienfinanzierung geht, ist selbst das Undenkbare denkbar! Dass der in den letzten Monaten aufgrund von ungerechtfertigten Preiserhöhungen massiv unter Druck geratene Landesenergieversorger Tiwag AG einer der größten Sponsoren der ÖVP Teilorganisationen ist, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten!“

Die Grünen, bis 2022 selbst als Koalitionspartner in der Regierung, gehen auf die Inhalte der von der Agrarmarketing Tirol platzierten Werbung ein: „Wenn irgend jemand in diesem Land nicht davon überzeugt werden muss, bei Tiroler Bäuerinnen und Bauern zu kaufen, dann sind es wahrscheinlich die Abonnent:innen der Tiroler Bauernzeitung, das Mediums des Tiroler Bauernbundes,“ analysiert Klubobmann Gebi Mair. Mit Inseraten in der Bauernzeitung werde der Bauernbund bedient. „Das ist wirklich Selbst-Bedienung im klassischen Sinn.“

Die Grünen regen stattdessen an, dass Agrarmarketing Tirol und Tiwag ihre Zielgruppe über Medien mit Redaktionen in Tirol erreichen und diese mit Inseraten unterstützen – auf einem sauberen und eigentlich auch üblichen Weg. Die Medienlandschaft als Pfeiler der Demokratie sei derzeit auch wirtschaftlich gefährdet. Gebi Mair: „Wenn die Zielgruppe der Werbemaßnahmen damit besser erreicht werden kann und unabhängiger Journalismus damit gestärkt wird, dann ist dem Land gleich ein doppelter Nutzen getan.“

Erwartungsgemäß relativiert der ÖVP-Bauernbund die Vorwürfe und spricht von einer „Fehlinterpretation des Rechnungshofberichts“. Die Werbung der Tiwag sei damit zu rechtfertigen, dass die Bauernzeitung praktisch alle Bauern erreiche und deshalb gut geeignet sei, „die Bauern als Partner der Tiwag AG auf dem Weg zur Energiewende“ zu erreichen.

Die 1,1 Millionen der Agrarmarketing Tirol will man für Inserate in Großauflagen der Bauernzeitung kassiert haben. Diese Sonderausgaben würden viermal im Jahr an alle Tiroler Haushalte verteilt werden, was das bäuerliche Medienprodukt „einzigartig und für Inseratenkunden besonders interessant“ mache. Eines stellt der Rechnungshofbericht jedenfalls klar: für das bezahlte Geld wurden werbliche Platzierungen im üblichen Umfang als Gegenleistung geboten.

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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