Das Café „Bittersüß“ in Lienz schließt eigentlich um 18:00 Uhr. Heute bleibt es für uns ein wenig länger offen, denn wir treffen uns dort, um in Ruhe über eine der größten Stadtteile von Lienz zu sprechen: die Eichholzsiedlung - und über sie gibt es tatsächlich sehr viel zu erzählen. Bekannt ist sie vor allem für ihren Ganzjahres- und Ganztageskindergarten, ihren neuen Spielplatz, ihre stetig wachsenden Wohnanlagen und natürlich ihre Schildkröten.
Diese gibt es eigentlich noch gar nicht so lange - dreieinhalb Jahre, um genau zu sein, doch in dieser kurzen Zeit haben sich die Eichholz Turtles, die sich im Dezember 2021 zum ersten Mal als neuer Lienzer Eishockeyverein auf dem kleinen Eisplatz der Siedlung der Öffentlichkeit präsentierten, schon einen ziemlichen Namen gemacht. Der Obmann der Turtles ist Charly Kashofer, vielen als einer der kommunikativsten und engagiertesten Lokalpolitiker von Lienz bekannt, der auch in der Siedlung viele Initiativen ins Leben gerufen hat - den Verein, zum Beispiel, der noch vor der Gründung der Eichholz Turtles jedes Jahr einen Eislaufplatz in der Siedlung organisierte, die Sommerfeste in der Zitronensiedlung oder auch das neue Eichholz-Familienfest.
Der Mann, der wohl mehr als alle anderen über diese Siedlung zu berichten weiß, ist Hansjörg Temmel, ein wahrer Chronist seines Wohnortes, der selbst schon seit 60 Jahren dort lebt. Damals hieß sie übrigens noch Pfarrsiedlung, denn die Gründe, auf denen die ersten Häuser im Süden von Lienz Anfang der 50er Jahre entstanden, gehörten zur Pfarrkirche St. Andrä. Der damalige Dekan Alois Budamaier hatte sie günstig zur Verfügung gestellt, nachdem 1947 der Innsbrucker Bischof Dr. Paulus Rusch allen Pfarren mit dem Aufruf „Gibt man Familien ein Heim, so ist damit eine dauernde Hilfe gegeben“ vorgeschlagen hatte, sich der „Siedlungsaktion der Kirche“ anzuschließen und günstige Gründe zu einem Preis von drei Schilling pro Quadratmeter an Handwerker, Arbeiter oder Kriegsheimkehrer zu vergeben.
Und so entstanden nach und nach die ersten neunzehn Privatheime mit einfachsten Mitteln - noch ohne Elektrizität oder Wasseranschlüsse, mit händisch ausgehobenen Kellern und zum Großteil selbst gefertigten Ziegeln. Hedi Schieder war eine der ersten Bewohnerinnen in der Pfarrsiedlung. Sie lebt dort seit 1952. Bis zum Baubeginn ihres Elternhauses 1955 wohnte sie, ihre vier Geschwister und ihre Eltern sogar noch in einem sogenannten „Behelfsheim“ - ohne Strom und ohne Wasser, das sie beim öffentlichen Brunnen neben dem Schwimmbad im Sommer mit einem Ziehwagen und ihrem Hund als Zugtier und im Winter mit einem Schlitten holen mussten. Und nicht nur dieser Weg war sehr mühsam für die Kinder, sondern auch der lange Schulweg ins Klösterle, den sie täglich viermal zurücklegen mussten und ihnen das Gefühl gab, „dass sie am Ende der Welt lebten“.
So fühlt sich die Siedlung heute natürlich nicht mehr an, denn längst sind es nicht mehr nur einzelne Privathäuser, die dort im Süden von Lienz stehen, sondern viele Wohnanlagen, die inzwischen von der Ortsgrenze von Tristach bis zur Straße nach Amlach unter dem Namen Eichholzsiedlung zusammengefasst sind, weil das Gebiet östlich des Campingplatzes „Falken“ den Flurnamen „Eichholz“ trägt. Die Namen der einzelnen Wohnanlagen, wie etwa Zitronen-, Gösser- oder Bonanzasiedlung, wurden übrigens von Kindern vergeben, denn von denen gab es nicht nur in der Vergangenheit immer schon viele in dieser Siedlung, sondern auch heute noch. Mehr dazu erfahren Sie aber in unserem Stadtteilgespräch im Café Bittersüß:
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