Auch Populismus will gelernt sein. Man muss wissen, welche Knöpfe man drückt, um beim Volk Ärger oder Verzückung auszulösen. Immer gut ist die Bedienung von Klischees. Eines, das in unseren Breiten seit jeher absolut verlässlich einen Sturm der Entrüstung auslöst, ist das Klischee von den „armen, vergessenen und benachteiligten Osttirolern“.
Diesen Knopf hat Elisabeth Blanik gedrückt, um in der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit zu einer Schlagzeile zu kommen. Sie behauptet, dass mit dem neuen Fahrplan auf der künftigen Koralm-Strecke eine überregionale Schnellzugverbindung von und nach Wien in Greifenburg enden würde, statt weiter bis Lienz zu fahren. Und die Grünen wissen den Grund für die Misere: Eine halbe Überstunde für das Zugpersonal würde anfallen, wenn der Schnellzug bis Lienz fahren würde. Und das sind die Osttiroler den Wiener Bahnmanagern nicht wert? Skandal!
Nun die Fakten: Es wird kein Zug von Wien nach Lienz gestrichen. Weder hin, noch retour. Selbstverständlich werden durch den Koralmtunnel die Bahnfahrten auch aus Lienz nach Graz und Wien komfortabler und kürzer. Freuen wir uns darüber. Die Fahrplan-Architekten der ÖBB sind keine Dumpfbacken, die aus Bosheit und um ein paar Euro Lohnkosten zu sparen, einen Zug aus der Bundeshauptstadt nicht bis Lienz, sondern nur bis Greifenburg führen.
Unmissverständlich erklären die ÖBB auf Anfrage von Dolomitenstadt.at, dass es um eine lokale Verbindung – also um Nahverkehr, nicht um einen Schnellzug – sehr früh am Tag und ziemlich spät am Abend zwischen Greifenburg und Villach geht.
Abfahrt dieser S-Bahn ist um 5.00 Uhr früh in Greifenburg. Nach den Wünschen der Bürgermeisterin müsste dieser Zug also um 4.30 Uhr (!) in Lienz abfahren, nicht nach Wien, sondern bis Villach. Derzeit fährt der erste Zug morgens um 5:24 in diese Richtung. Zu spät? Für wen?
Abends kommt besagter Nahverkehrszug um 22.40 Uhr in Greifenburg an. Würde er weiterfahren bis Lienz, träfe er dort also um ca. 23.10 Uhr ein. Nur eine halbe Stunde früher – nämlich um 22.41 Uhr – erreicht derzeit der letzte Zug aus Kärnten den Lienzer Bahnhof. Das wissen alle, die öfter abends aus dem Osten Richtung Lienz unterwegs sind. Auch hier geht es also um eine halbe Stunde – und eine zusätzliche Verbindung für vermutlich nur eine Handvoll Passagiere.
Und darum wird mit Inbrunst das Klischee bemüht, dass die großkopferten Wiener schon wieder die armen Osttiroler hängen lassen? Elisabeth Blanik legt heute in einer Medienaussendung nach. Die ÖBB überlegen nämlich, die paar Menschen, die um 4.30 Uhr Richtung Osten aufbrechen wollen, eventuell mit dem Bus nach Greifenburg zu bringen.
Blanik meint zurecht: „Eine Reise von Lienz nach Wien bzw. umgekehrt ist in den meisten Fällen äußerst gepäckintensiv, was ein Umsteigen in Busse mehr als erschwert. Vor allem, wenn man betagt oder körperlich beeinträchtigt ist. Auch Familien mit Kindern werden damit vor große Probleme gestellt.“
Schon, aber: Pensionisten, Menschen mit Handicap und Familien mit Kindern fahren eher nicht um 4.30 Uhr von Lienz nach Wien. Das weiß Elisabeth Blanik natürlich auch. Vielleicht weiß sie von ihren ÖBB-Gemeinderäten sogar, dass Fahrdienstleiter verpflichtende Ruhepausen haben und die ÖBB einen Dienstwechsel und damit beträchtliche Mehrkosten in Kauf nehmen müssten, damit um 4.30 Uhr ein paar Frühaufsteher in einen Zug Richtung Villach steigen können. Aber wen interessieren schon all die Zeiten, Fakten und Zahlen, wenn man in die Schlagzeilen kommen kann?
PS: Das Thema „Greifenburg“ mag heiße Luft sein. Die generelle Qualität der Zugverbindungen auf der Südstrecke ist aber sehr wohl hinterfragbar. Überfüllte und alte Zuggarnituren, nicht funktionierende Toiletten, kein Speisewagen, kein WLAN ... meine Kollegin arbeitet bereits an einem Erfahrungsbericht. Doch das ist eine andere Geschichte.
24 Postings
Ist ja sehr interessant, aber die Realität bleibt bestehen, es werden 2 Zugverbindugen von WIEN nur bis GREIFENBURG geführt !
Sinnerfassendes lesen, ist wohl out, oder kann das chatDoof noch nicht .....
Falsch! Die Abendverbindung von Wien nach Lienz, derzeit Ankunft 22.41 und die Frühverbindung von Lienz (Abfahrt 5.24) bleiben bestehen! Nur ein ZUSÄTZLICHER Regionalzug von Villach ca. eine halbe Stunde später fährt nur bis und von Greifenburg! Soviel zum sinnerfassenden Lesen ...... Gedacht wird die Verbindung wohl für Tagespendler sein? Vom Raum Greifenburg könnte ich mir ein Pendeln nach Villach zu Arbeit oder Schule durchaus vorstellen (Fahrzeit weniger als eine Stunde), von Lienz aus mit jeweils 45 Minuten mehr doch kaum ....
Ich habe mich sehr wohl auf die besagte "Neue SBahn" bezogen, welche wie gesagt von Wien nur bis Greifenburg fährt und das steht genau so im Artikel.
fuer einen Fahrplan lesen und im Hirn umsetzen bedarf es keiner Matura.Oder ?
Und wer springt laut heutiger kl.Z. - wie bei jedem Thema - Frau Blanik sofort zur Seite? Da Franz Theurl. Die gefühlt größte Mogelpackung der letzten Gemeinderatswahl.
... und der ÖVP-Landtagsabgeordnete aus Dölsach sprang gleich mit ...
'springt'.....wie so oft als Letzter auf den Zug auf......
bisch da sicha?
Auch im Sommerloch sollte man etwaige Presseaussendungen zuerst nach recherchieren. So hätte man viel von der Verwirrung verhindert. Im Osttiroler Qualitätsjournalusmus wird halt meist jede Presseaussendung 1:1 abgedruckt.
Zumindest gab es hier dann eine Aufklärung, aber eine gewisse Teilschuld zur Mithilfe am Populismus trifft auch dieses Medium.
Freue mich auf einen gut recherchierten Artikel über die derzeitigen Verbindungen und die Qualität der Südbahn.
Ich bin kein Fahrplanexperte, aber zumindest fahre ich seit 32 Jahren zwischen Wien und Lienz in schöner Regelmässigkeit hin und her und sammle als Beförderungsfall so einiges an Erfahrung. Danke Herrn Pirkner für die Einholung der Fakten, jetzt ist das Bild klarer. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Wortmeldungen von LA Blanik umd LA Mayerl wahrlich kein Populismus sind, über die Begründungen lässt sich diskutieren. Der Vorwurf verkennt nämlich die Möglichkeiten, die die neue Südbahn am Tagesrand (vor allem in der Früh, abet potentiell auch am Abend im Fernverkehr) künftig gerade dem Bezirk Lienz eröffnet.
Warum? Schauen wir uns die Situation mit dem Fahrplanbild 2024/25 an (das 25/26er kennt ja nur das Planungsteam im Kärntner Verkehrsverbund u den ÖBB): Fahre (oder besser Führe) ich um 4.40 in Lienz ab (zum Vgl: in Hermagor startet der erste Zug dzt um 5.02, in Lienz dzt um 5.24) erreiche ich um ca 5.30 Spittal und erreiche den Fernverkehr um 5.40 nach Salzburg und bin um 7.49 im Salzburger Zentralraum. Toll! Nun zur Südbahn: Der 4.40 Lienz Zug erreichte ca. um kurz nach 6 Uhr den Knoten Villach. Ich könnte jetzt den dzt zweiten Railjet nach Wien erreichen. Bleibt es dabei fährt er ab Dezember natürlich durch den Koralm Tunnel. Ich wäre also gegen 6.40 in der Landeshauptstadt Klagenfurt und ergo ca um 7.30 in der Landeshauptstadt Graz und um knapp 10 Uhr mitten in der Bundeshauptstadt Wien (2030 dann um 9.30, rein rechnerisch; zum Vgl.: 1993 hat man Lienz um 6.30 verlassen und hat Wien direkt um 13.35 erreicht - da war der Tag gelaufen ...). Natürlich muss ich für 4.40 krass früh aufstehen (das müssen auch die recht zahlreichen Drautaler, die um 6.13 mit dem ersten Zug aus Spittal das Industriegebiet Peggetz erreichen), aber ich kann in vielen grossen Zentren Österreichs zu guten Zeiten ankommen, spare mir viele teure, im Winter auch gefährliche Auto-Kilometer und kann den Tag für Termine nützen (und allenfalls ohne teure Übernachtung auskommen). Ich könnte zu Dienstgebern nach Villach und Klagenfurt oder St. Veit pendeln (ich weiss allerdings nicht, wann die Schicht bei Infineon in Villach beginnt und wie gut ich mit Öffis in den Klagenfurter Lakeside Park komme), und könnte dort aber vielleicht mehr verdienen als beim XXXXXXX (und bin am frühen Abend wieder daheim). Oder ich könnte den Sonntagabend bei meinen Verwandten im Thurn verbringen und müsste nicht Sonntag Nacht in vollgestopften Zügen gen Wien oder in die FH nach Wiener Neustadt fahren, wenn ich kein Auto habe und am Vormittag zu arbeiten / studieren beginnen muss. usw. usw.
Der Abend ist tatsächlich eine andere Sache. Hier fährt die letzte Regionalbahn dzt um 21.43 in Spittal ab und kommt um 22.41 in Lienz an. Tatsächlich ist dieser Zug nicht stark ausgelastet, selbst am Freitag Abend nicht wirklich. Warum ist das so?
Wer nach Lienz will fährt nämlich heute mitten am Nachmittag in Wien Hbf ab (14.18) und ist um 20.06 in Lienz oder freitags mit dem Verstärker um 21.06 (ab in Wien um 15.18), ja, das Wagenmaterial ist krass (teils heiss bis eisig, wenig bis kein WC, kein WLAN), die ÖBB haben aber nix anderes. Natürlich könnte man versuchen in Villach mit der Garnitur, die dort aus Wien um 20.44 einläuft noch die Verbindung nach Lienz zu erreichen, dem ÖBB Fernverkehr sind die Anschlüsse aber eher egal (die Schaffner aber immer sehr nett), die Züge an den Knoten warten eher nicht, daher fordern wenige dieses harte Schicksal heraus. (Die Situation für Umsteiger aus Salzburg Richtung Lienz im Spittal müsste man sich noch gesondert ansehen.)
Was ich jetzt noch immer nicht verstehe ist, warum man ab Dez 25 am Abend überhaupt so spät nach Greifenburg fährt - denn der Grossteil der Spätfahrenden hinter Spittal wollen erfahrungsgemäss in den Raum Lienz und meist nicht nach Hauzendorf, Waisach oder Radlach.
Ich weiss: Sehr sehr sehr lange Rede und doch noch ein Wunsch: Wie wäre es, wenn die ÖBB ab Fahrplanwechsel 2026 zumindest am Freitagabend wieder eine Tagesrand Schnellverbindung von Wien nach Lienz ambieten. Ich habe mir das schon vergilbte Fahrplanbild 1995/96 herausgesucht - Ankunft der Wiener Direktverbindung um sage und schreibe 23.36 in Lienz. (und er fuhr viele viele Jahre so ...) Zugegeben - 2025 ein geradezu verwegener, wenn nicht gar abwegiger Wunsch. So, jetzt warten wir auf den 16. September 2025 - da gibts die Info zum neuen Fahrplan.
Wir sollten einfach nur froh sein das EB nicht, wie einst einmal von der Bundes-ÖBB-Partei angedacht, VerkehrsMINIsterin wurde ...
Hier in der Peripherie kann sie schon nicht soviel Blödsinn anrichten - denkste!!!
Dass die Personaldecke der Bundes-ÖBB-Partei extrem dünn ist erkennt man ja schon am Vizekanzler, aber dass das Elend so groß ist dass EB als VerkehrsMINIsterin angedacht werden könnte ist wirklich schockierend.
Was bitte hat der Semperit Mitarbeiter und Bürgermeister mit den ÖBB zu tun?
dort hätte sie sich beweisen können - nicht so wie in lienz
Hannes ... was hat der ungelernte Hilfsarbeiter und SPÖ-Bundesparteiobmann mit der "Bundes-ÖBB-Partei" zu tun? Gute Frage. Sehr originell und geistreich.
uiuiui was für eine blamage .... wir werden dem ruf einer provinzstadt gerecht durch unser würdiges gemeindeoberhaupt. mich würde brennend interessieren, was sich die öbb verantwortlichen über dieses fiasko und die verursacherin desselben denken. ich traue denen zumindest zu, dass sie genau abwägen wer für dieses durcheinander zuständig ist und dass es nicht die osttiroler - die lienzer - bevölkerung ist, welche so einen semmel verursacht - gratulation frau bgm
scheint sonst nicht viel los zu sein!
und wenn fr. bgm nichts dazu sagt bekommt sie auch schelte!
finde dass sie ihren job ganz gut macht!
Ihr habt Frau Blanik doch selber diese Schlagzeile ermöglicht .. ? deswegen verstehe ich diesen Kommentar nicht
Man kann im Lauf der Zeit auch gscheiter werden und Fehler einsehen. Und, noch wichtiger (und bemerkenswerter): eingestehen.
Vielleicht war es gar keine Absicht für eine Schlagzeile, ein aufgebrachtes Huhn vor dem Bürgermeistersessel reicht manchmal schon, um Stunk zu machen. Blanik hat in diesem Fall möglicherweise zu früh geschossen, auch die Medien und wir selber in dieser Kettenreaktion.
Dass Öffiangebote kein Wunschkonzert für einzelne sein können, ist klar. Da würd so mancher flexibler sein, wenn Bequemlichkeit und Sturheit hintangereiht würde. Im Flugverkehr klappt es fast kritik- und alternativlos, und das Autilein macht dann auch mal Garagenurlaub.
Danke, Herr Pirkner! Und zum Sommerlochtamtam sag ich besser gar nix
Herr Pirkner, vielen Dank für dir genaue Erklärung des Sachverhalts. Wie Sie schon so schön schrieben, viel Lärm um Nichts.
Was mich in Lienz mehr beschäftigt, sind die überdimensionierten Regiobusse in Lienz. Wirft man einem Blick in das Innere der Busse muss man feststellen, dass sie meist leer sind. Diese Geldverschwendung kann ich nicht verstehen. Es müsste doch möglich sein, kleinere Busse oder Sammeltaxis zu organisieren. Wer im Talboden mit dem Auto unterwegs ist, steht ohnehin genug im Stau, da könnte man sich für die leeren Busse etwas einfallen lassen.
Vielleicht könnte Frau Blanik darauf ihren Fokus legen, da gebe es auch etwas zu tun.
Genau, @Gertrude sind die Regiobusse leer und zu groß, weil Sie und andere Raunzer nicht da mit fahren. Der Bus kann nichts dafür, dass niemand drin sitzt. Wir sind es, die nicht drin sitzen!
Die beste Reportage ever.Danke
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