Politshow – der Landesvater und seine Kinder

Wenn Regierungen eigene „Medien“ betreiben, ist eine Portion Skepsis angebracht.

Ja der Putin, der schlaue Hund. Setzt sich mit einem Haufen Schülerinnen und Schülern vor die Fernsehkameras, macht einen auf locker, lässt sich ausfratscheln und spielt so beinahe glaubwürdig den Demokraten, der sich gerne anhört, wo die Jugendlichen der Schuh drückt. Alles nur Show! Natürlich sind die Fragen genau gecheckt und das, was man zu sehen bekommt, ist redigiert und sorgfältig professionell aufbereitet. Nicht das Ereignis selbst ist relevant, da sind ja nur wenige Dutzend Menschen dabei, sondern die Berichterstattung darüber, die Bilder, die den großen Vorsitzenden als umgänglichen, volkstümlichen Charakter zeichnen.

Sind wir uns bis hierher einig? Dann ersetzen wir schnell einmal das Wort „Putin“ durch „Platter“ und werfen einen Blick auf ein neues „Sendeformat“ mit dem Titel: „#Frag den LH“. Halt! Halt! Ich behaupte nicht, dass Günther Platter, den ich persönlich als umgänglichen, offenen Menschen kenne, in seiner politischen Haltung irgendwelche Schnittmengen mit dem russischen Präsidenten hätte. Das sei hier ausdrücklich festgehalten. Darum geht es nicht.

Die politische Inszenierung in einem „Sendeformat“ der Landesregierung wirft Fragen auf. Foto: Land Tirol

Doch die Inszenierung von Regierungspolitik, wie sie heute weltweit um sich greift und mittlerweile auch im Tiroler Landhaus angekommen ist, wirft einige Grundsatzfragen auf. Regierungen sind Exekutivorgane, sie setzen um, was in Parlamenten zum Gesetz geformt wurde, zumindest in der Theorie. Regierungsmitglieder sind deshalb ganz klar Angestellte des Volkes, bezahlt mit dem Geld der Bürger, die sich dafür entsprechende Leistungen erwarten dürfen.

Nicht zu diesen Leistungen zählt die Selbstbeweihräucherung. Schade um das Geld für den Weihrauch, dessen süßlicher Duft sich seit jeher gern durch „regierungsnahe“ Medien zieht, die mit Anzeigen von ebenso regierungsnahen Institutionen oder Firmen belohnt werden, von der E-Wirtschaft bis zu Landesbanken und Kammern. Das Weihrauchfass schwenken mittlerweile leider auch die Presseabteilungen mancher Tiroler Regierungsmitglieder immer höher – sorry KollegInnen, das muss ich einfach einmal loswerden. Wir erhalten fast täglich die obligaten Gruppenfotos mit freudestrahlenden Regierungsmitgliedern. Warum fotografiert ihr beim Lehrlingswettbewerb nicht einfach die Lehrlinge? Zum Beispiel bei der Arbeit?

Eine neue Qualität bekommt die – großteils mit Steuergeld finanzierte – politische Selbstbeweihräucherung in den „sozialen“ Netzen. Ganze Rudel von digitalen Ministranten werden mittlerweile aufgeboten, um Facebook-Kanäle, Hashtags und YouTube-Videos up-to-date zu halten und zu eigenständigen „Regierungskanälen“ zusammenzufügen. Die Facebook-Seite des österreichischen Bundeskanzlers hat fast 800.000 Abonnenten, mehr als die Kronen Zeitung, immerhin die größte Tageszeitung des Landes. Nicht von ungefähr kritisiert der deutsche Satiriker Jan Böhmermann die Social Media-Aktivitäten der deutschen Bundesregierung mit brillanter Schärfe.

Es ist schön, wenn sich der Tiroler Landeshauptmann den Fragen von Schülerinnen und Schülern stellt, die Kids zum Essen einlädt und damit zeigt, dass er ein Mann des Volkes ist, mit einem offenen Ohr für dessen Anliegen. Aber wirklich informativ sind solche Befragungen erst, wenn die einzigen Berichterstatter nicht schreibende Landesbeamte oder handverlesene regierungsnahe Medien sind und aus dem starren Frage-Antwort-Schema ein ernstzunehmender Diskurs wird.

Lediglich das Radio Tirol, dem die Landesregierung ein eigenes Sendeformat beschert, nimmt „#Frag den LH“ schön brav auf. Die anderen Medien dürfen das berichten, was die Pressesprecher der Landesregierung vorkauen, garniert mit schönen Bildern vom freundlichen Landesvater und seinen jungen Schutzbefohlenen. Am besten mit einem Link auf die Facebook- und YouTube-Weihrauchkanäle der Landesregierung, die der Bürger – im Idealfall aus der Sicht der PR-Strategen – hoffentlich abonniert, als gefiltertes, mit Steuergeld bezahltes Eigenlob der Regierenden. Auch das sollte man den jungen Menschen im politischen Unterricht näher bringen.

Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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Domenik

Guter, kritischer Kommentar. Ein Marketinggag finanziert mit Steuermitteln - aber das kennt man ja schon. Im Landtagswahlkampf wollten wir #Neos offene Diskussionen in den Schulen - Stichwort: Polit Speeddating. Ein Konzept wo alle politischen Gruppen mit den Schülern diskutieren und befragt werden können. Das jetzt Schüler der Parteipropaganda ausgesetzt werden ist schon bedenklich - wo sind da die Direktoren die damals so vehement gegen politische Aktionen in der Schule waren? Kritische Fragen oder gar andere Meinungen? Wo kommen wir denn da hin?!

 
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    senf

    ... und woher, lieber neos, hätte man für die von euch gewünschte "offene diskussion in den schulen für den landtagswahlkampf" das notwendige kleingeld hergezaubert? ich rate mal: aus der privatschatulle, aus dem schuletat, oder gar aus dem steuertopf, hm?

    herr pirkner hat recht. skepsis ist angebracht. regierungen sollten keine eigene medien betreiben. wozu auch, denn landesregierungen haben presseabteilungen, die die medien über sämtliche landesangelegenheiten laufen informieren. das geschieht üblicherweise über presseeinladungen oder -aussendungen. ausgenommen sind amtliche mitteilungen, die details für die bürger bieten (förderungsrichtlinien, amtswegweiser ...)

    wenn also eine schule vom landeshauptmann eigeladen wird, dann finde ich das gut, denn junge leute sollen ja einblick in die aktuelle arbeit und verwaltungsstruktur des landes bekommen und man könnte dazu ja die jeweilige lokalpresse darüber verständigen. im vorhinein, versteht sich! die dilettantische inszenierung von herrn kurzthaler sollte daher eine heftige lohnkürzung, oder vielleicht auch den rausschmiss bewirken.

    aber auch die presse samt hörfunk sollte sich beim ohrwaschl nehmen, vor allem dann, wenn sie sich für gefälligkeitsberichte oder verschwiegenheit als gegenleistung für teure inserate einen maulkorb umhängen lässt.

     
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      Domenik

      Hoi, ja teilweise auch aus der Privatschatulle. Aber alles transparent nach zu lesen auf unserer Homepage 😉 Das Polit Speed Dating hat an sich keine Kosten. Werbematerial ist nicht erwünscht bei diesem Format - lediglich die Zeit / Anfahrt die alle investieren. Lg der Neos 😀

       
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le corbusier

super kommentar, danke!

 
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