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Bagger am Gletscher: Seilbahn kontert Vorwurf des WWF

Management der Pitztaler Gletscherbahn verweist auf reguläre Pistenpräparierung.

Eine Presseaussendung des WWF samt Foto von zwei Baggern, die in 3.400 Metern Höhe auf dem Pitztaler Gletscher Spalten zuschütten, löste nach der Veröffentlichung auf dolomitenstadt.at einen Sturm der Entrüstung aus. Der Bericht erzielte mit bislang mehr als 27.000 Aufrufen auch eine beachtliche Reichweite. Hier das Bild:
Bagger arbeiten auf dem Pitztaler Gletscher. Raubbau an der Natur oder schlicht alltägliche Pistenpräparierung im Hochgebirge? Foto: WWF
In der vergangenen Woche meldeten sich der Pressesprecher und das Management der Pitztaler Gletscherbahn zu Wort. Man verweist darauf, dass durch Bildausschnitt und Interpretation des WWF der Eindruck entstehen könnte, es gehe hier bereits um die in Nordtirol heiß diskutierte Erweiterung des Skigebietes. Zoome man aus dem Bild aus, sehe man aber, dass es sich einfach um die im Sommer seit vielen Jahren übliche Präparierung des Gletschers für die kommende Saison handle. Zum Beweis übermittelte uns die Pitztaler Gletscherbahn ein Foto, das nach Angaben des Unternehmens nur zwei Tage nach jenem des WWF aufgenommen wurde, vom selben Standort, aber eben ausgezoomt, um einen Gesamteindruck zu ermöglichen. Hier das „Nachher-Foto“ der Bergbahn:
Der selbe Gletscher zwei Tage nach Abschluss der Spaltenauffüllung. Foto: Pitztaler Gletscherbahn
Dolomitenstadt.at bemüht sich um eine möglichst objektive Berichterstattung, deshalb finden wir einen zweiten Blickwinkel auf dieses wichtige Thema sehr spannend und veröffentlichen die Stellungnahme des Geschäftsführers der Pitztaler Gletscherbahn, Eberhard Schultes, in vollem Wortlaut: „Der WWF hat kürzlich ein Bild verbreitet, auf dem Arbeiten im Schigebiet Pitztaler Gletscher zu sehen sind. Leider ist es bei der Interpretation dieses Bildes zu unterschiedlichsten Wahrnehmungen gekommen. Die im Bild gezeigten Arbeiten haben nichts mit einer Schigebietserweiterung zu tun. Vielmehr handelt es sich um die alljährlichen Vorbereitungsarbeiten des Schigebietes Pitztaler Gletscher für die kommende Herbst- und Wintersaison. Dabei werden auf bestehenden Pisten des Schigebietes Gletscherspalten mit vorhandenem Altschnee und Brucheis verfüllt, um einen sicheren Schibetrieb im Winter zu gewährleisten. Nachdem der Gletscher stetig in Bewegung ist, bilden sich über die Sommermonate Jahr für Jahr neue Gletscherspalten, die immer kurz vor den ersten Schneefällen verfüllt werden müssen. Diese Arbeiten verrichten wir in dieser Form seit 35 Jahren und werden so auch von anderen Gletscherschigebieten durchgeführt. In diesem Jahr hat das Verfüllen der Gletscherspalten ca. zwei Tage angedauert. Anbei übermitteln wir Ihnen ein Bild, das kurz nach dem vom WWF veröffentlichten Bild an der gleichen Stelle aufgenommen wurde.“
Natürlich haben wir auch den WWF mit der Replik der Pitztaler Gletscherbahn konfrontiert und von Josef Schrank, WWF-Landschaftsökologe, folgendes Statement erhalten, das wir ebenfalls wortgetreu wiedergeben:
„Die Beschwichtigungsversuche seitens der Pitztaler Bergbahnen sind entschieden zurückzuweisen. Die Aufnahmen machen deutlich, was oft unbeachtet bleibt: Der Betrieb moderner Skigebiete ist mit immensen Eingriffen in natürliche Prozesse verbunden. Diese Eingriffe schrecken dabei nicht vor sensiblen Gletscherlandschaften zurück. Unter großem Materialeinsatz werden Pisten planiert, Straßen ins Hochgebirge gebaut, Felsen für Skiwege abgetragen, Gletscherbäche begradigt und für künstliche Beschneiung in Speicherteiche abgeleitet. Dazu zählt auch das Ausbaggern von Gletschereis, um damit natürlich entstandene Spalten zu verfüllen. Diese Arbeiten werden jedes Jahr auf's Neue durchgeführt und sind keinesfalls – wie vonseiten der Pitztaler Bergbahnen behauptet – folgenlos: Gletscher, die für ihre Entstehung Jahrtausende benötigt haben, sind von einer ständigen Fließbewegung und einer dadurch entstehenden natürlichen Struktur geprägt. Die dargestellten tiefgreifenden und wiederkehrenden baulichen Eingriffe haben selbstverständlich ökologische Auswirkungen auf den Gletscher und seine Lebenswelt, etwa auf die Oberflächenstruktur, die Fließ-, Wasserabfluss- und Luftverhältnisse sowie durch Staubentwicklung und Stoffeinträge. Speziell angepassten Lebensformen wie Algen, Bakterien und Kleinstlebewesen sind angewiesen auf die natürliche Erscheinungsform von Gletschern. Die emotionalen Reaktionen auf die Anfang September verbreiteten Bilder vom Ausbaggern des Pitztaler Gletschers sind somit nachvollziehbar. Nicht zuletzt deswegen, weil Gletscher heute hochgradig gefährdet sind. Allein innerhalb der sechs Jahre, von 2012 bis 2018, ist die Gletscherfläche in Österreich um mehr als 26 km² bzw. rund 7,5 Prozent zurückgegangen. Österreich hat dabei für den Erhalt der Gletscher eine besondere Verantwortung, beherbergen wir doch mehr als ein Viertel der gesamten Gletscherfläche in der Europäischen Union. Die veröffentlichten Bilder sowie die verharmlosende Argumentation der Pitztaler Gletscherbahnen zeigen eindrücklich, was der heute noch ursprünglichen Gletscherlandschaft um den Linken Fernerkogel droht, sollte das geplante Vorhaben 'Schigebietserweiterung und -zusammenschluss Pitztal-Ötztal' realisiert werden: Eine jährlich wiederkehrende Großbaustelle, wo der Tourismus gegen die Natur arbeitet anstatt mit ihr. Die geplanten Bauprojekte umfassen laut eingereichten Unterlagen unter anderem die Sprengung und den Abtrag von über 750.000 m³ Gestein, Erde und Eis, den Bau von mehr als vier Kilometern an Straßen und Wegen, die Planierung, Überschüttung und den Abtrag von 72 Hektar an gewachsenem Gletscher, die Schleifung eines Berggrats am Linken Fernerkogl um 40 Höhenmeter und 120.000 m³ sowie den Bau zusätzlicher Beschneiungsanlagen samt asphaltiertem Speicherteich mit einem Volumen von über 104.000 m³. Gerade in Zeiten der rasant abschmelzenden Gletscher bedeutet die Erweiterung von Gletscherskigebieten eine massive Zusatzbelastung. Daher fordert der WWF Österreich klar definierte Ausbaugrenzen für den Wintertourismus und einen wirksamen Rechtsschutz für alpine Freiräume.“

Damit ist wohl eine neuerliche Diskussion in unserem Forum eröffnet!
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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WWF-Fotos zeigen Ausbauwahn im Tiroler Wintertourismus

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9 Postings

banana181
vor 4 Jahren

Ist meiner Meinung nach der helle Wahnsinn! Am besten nimmer Schi fahren gehen...is sowieso fast unleistbar.

 
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schnuffi
vor 4 Jahren

Jeder der jemals auf einem Gletscherskigebiet war, unterstützt auch solche Maßnahmen. Mein Tip: Einfach nicht dort hinfahren! Vor fast 30 Jahren haben wir alle über die Piefkesaga gelacht. Dort sah man einen schmalen Schneestreifen und Kunstschnee aus Schneekanonen! Damals lachhaft und undenkbar! Heute ist es traurige Realität! Teilweise fahren wir ja heute schon in eigenen Skihallen! Heute lachhaft ....aber in 30 Jahren?????

 
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    F_Z
    vor 4 Jahren

    nur interessehalber: wo in der Piefkesage hast du denn einen schmalen Schneestreifen gesehen? Ich kann mich nur an ein Tal erinnern in der der linke Hang Schnee war, und der rechte grüne Wiese. (http://www.sagen.at/doku/fo_fotos/piefke_schneekanonen.jpg)

     
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Nickname
vor 4 Jahren

In ein paar Jahrzehnten erübrigt sich die Diskussion - leider :-( Welche Partei sitzt seit 30 Jahren im Umweltressort? Hier ein Link zum nachlesen - bitte noch vor der Wahl lesen: https://kontrast.at/junge-oevp-waehler/

 
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spitzeFeder
vor 4 Jahren

Zitat: Nachdem der Gletscher stetig in Bewegung ist, bilden sich über die Sommermonate Jahr für Jahr neue Gletscherspalten, die immer kurz vor den ersten Schneefällen verfüllt werden müssen. Zitatende.

Die Gletscherspalte, an der der orange Bagger arbeitet, hat sich nicht in den Sommermonaten gebildet...

 
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Lurch112
vor 4 Jahren

Der eigentliche Wahnsinn ist, dass der Gletscher in den letzten 6 JAHREN um 7,5 prozent zurück gegangen ist. Und die Seilbahn-Unternehmen sind blind und der kurzsichtige Blick (aufs Geld) hat sicher keinen positiven Einfluss darauf. Erst wenn alle Gletscher geschmolzen, die ganze Natur zerstört und der Planet vor die Hunde geht, werden manche Menschen merken, dass man Geld nicht essen kann.

 
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miraculix
vor 4 Jahren

Jetzt habe ich wirklich sehr oft zwischen den beiden Fotos im obigen Artikel hin und hergescrollt und die beiden Bilder sehr aufmerksam verglichen. Aber beim besten Willen: Ich kann die Fels- und Eisstrukturen hinter den beiden Maschinen im kleinen (gezoomten) Bild im großen einfach nicht entdecken! Daher meine Bitte an die Redaktion: Könnte der kleine Bildausschnitt in der Totale z. B. mit einem Rahmen ersichtlich gemacht werden? Vielen Dank im Voraus!

 
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    chiller336
    vor 4 Jahren

    genau da wo sich am großen bild der äussere bogen der abfahrt befindet

     
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    Nickname
    vor 4 Jahren

    Das kleine Schneefeld im braunen Felsbereich ist ziemlich markant, links darunter dürfte der Bereich sein. Ist schwer zu erkennen da die Bagger ganze Arbeit geleistet haben. Ist schon pervers in Tirol muss man am Gletscher für die Wintersaison die Pisten einebnen, als ob wir im Winter nicht sonst auch genügend Pisten zur Verfügung hätten?

     
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