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Begegnet man derzeit mehr Briefträgern?

Oder kommt uns das nur so vor, weil man sonst niemanden mehr trifft?

Um Nachrichten zu verbreiten, braucht man einen Sender und einen Empfänger. Übertragen wird die Nachricht durch den sogenannten Informationskanal. Das ist heute genauso wie vor 50 Jahren, als man noch Briefe schrieb. Übertragung bedeutete damals aber etwas anderes als in diesen Tagen, wo jeder schon beim bloßen Wort entsetzt die Straßenseite wechselt. Aber sie ging genauso schnell. Spätestens am übernächsten Tag kam der Herr Postillion, der Informationskanal, ins Haus und übergab den Brief an den Empfänger. Am Monatsersten verteilte er kleinere Pakete an die älteren Personen in der Nachbarschaft. Das ging sogar noch schneller, weil ihn diese schon am Gartenzaun erwarteten. Damals war die Post noch eine Säule des Pensionssystems.
Damals war die Post noch eine Säule des Pensionssystems. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-63068-0001, Gahlbeck, Friedrich, CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
  Ansichtskarten brauchten etwas länger, weil der Briefträger verpflichtet war, sie vor der Zustellung zu lesen. Informationsübertragung schafft einen Wissenszuwachs beim Empfänger. Damals auch beim Informationskanal. Gegenwärtig meint man wieder, mehr Briefträgern zu begegnen. Das kommt einem aber nur so vor, weil man sonst niemanden mehr trifft. Briefträger dürfen nicht, was andere jetzt müssen: zuhause bleiben. Die Post ist heute eine Säule des Gesamtsystems. Die Nachbarn jenseits unseres Gartenzauns hießen Frau Gridling und Herr Gridling. Mit ihnen konnte man auch direkt sprechen. Ihr Sohn hieß … nein das kann ich jetzt nicht sagen, sonst hab ich morgen den Verfassungsschutz im Haus, und dann wird aufgeräumt. Er war ein großer Mann, ungefähr einsneunzig, aber kein Mann großer Worte. Mehr verschlossen. Verschlüsselt, könnte man auch sagen. Er hatte aber große Pläne: Computer füttern und zum Mond fliegen, verriet seine Mutter meiner Mutter, als die noch nicht recht wusste, was aus ihren Kindern einmal werden sollte. Einmal hat er im Rahmen einer Benefizveranstaltung im Stadtsaal für die Lebenshilfe Osttirol gezaubert. Als er mit einer langen Nadel einen Luftballon durchstach, blieb mir vor Staunen der Mund weit offen. Der Trick aber, vermute ich, lag darin, dass sein Mund fest verschlossen blieb. Hätte er geredet, wäre das Ding mit Sicherheit geplatzt. Das war am 15. Oktober 1977. Heute, glaube ich, macht er tatsächlich etwas mit Computern. Am Mond.
Rudi Ingruber ist Kunsthistoriker, Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt und freier Autor – auch für dolomitenstadt.at. Sein Corona-Tagebuch erscheint während der Zeit der „Corona-Krise“ in unregelmäßigen Abständen.
Rudolf Ingruber ist Kunsthistoriker und Leiter der Lienzer Kunstwerkstatt. Für dolomitenstadt.at verfasst er pointierte „Randnotizen“, präsentiert „Meisterwerke“, porträtiert zeitgenössische Kunstschaffende und kuratiert unsere Online-Kunstsammlung.

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5 Postings

r.ingruber
vor 4 Jahren

Dann sollten Sie aber nicht unter Ihrem Klarnamen posten, Frau todo!

 
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bobbilein
vor 4 Jahren

die menschen haben auch vor 20 jahren noch regelmäßig briefe geschrieben (ich nehme da mich mit hinein). man muss da nicht 50 jahre zurückgehen.

 
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    r.ingruber
    vor 4 Jahren

    Oh, das freut mich. Dachte schon, das liest überhaupt keiner.

     
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      todo
      vor 4 Jahren

      ähm ich habe es auch gelesen, aber ich habe bisher das Verfassen eines Postings wegen des Verfassungsschutzes nicht gewagt...

       
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      Senf
      vor 4 Jahren

      herr ingruber, fein zu lesen, gerade in diesen tagen - gut zur aufheiterung. den job als briefträger bin ich niemanden neidig. im gegensatz zu früher hat er heute mehr die funktion eines zustellers, denn im werbestappel zwischen den amazonkartons verirren sich nur mehr vereinzelt briefe.

      stress aber hatten die "postler" früher zuhauf, sie mussten bei hitze und kälte zu fuss oder per rad kilometerweit tonnenweise dicke versandhauskataloge zustellen und waren des öfteren der gefahr von bissigen hunden ausgesetzt, die es auf die großen, schwarzen echtledertaschen abgesehen hatten. sie verzichteten dann gern auf das schnapserl der wartenden liebesbriefempfänger.

       
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