Gleich vorweg. In diesem Meinungsbeitrag geht es nicht um Kunst. Davon verstehe ich nicht allzu viel und gebe das auch gerne zu. Für Kunst ist bei Dolomitenstadt Rudi Ingruber zuständig. Von Kommunikation verstehe ich mehr, dieses Handwerk prägt seit Jahrzehnten mein Leben, jetzt als Medienmacher, früher als Berater und noch früher als Student.
Deshalb sind die gläsernen Frauen an den Einfallstraßen nach Osttirol für mich eine ebenso schrullige wie überflüssige Themenverfehlung. Diese Kunstwerke, denen man in einem anderen Kontext und in anderer Umgebung durchaus etwas abgewinnen könnte, wirken am Straßenrand seltsam deplatziert.
Kommunikation sollte speziell an Orten, an denen niemand innehalten kann, schnell und eindeutig funktionieren. Deshalb sind Straßenschilder keine lustigen bunten Kunstwerke, sondern klare, einheitlich codierte Signale, die man auch mit 100 km/h Fahrgeschwindigkeit und aus dem Augenwinkel problemlos deuten kann, egal welche Sprache man spricht und welche Vorbildung man hat.
Man stelle sich eine holländische Familie auf der Fahrt von Kärnten nach Osttirol vor. Sie hat weder das Heimatblättchen gelesen, noch den Lokalteil des Kleinformats und auch nicht dolomitenstadt.at. Was sehen diese automobilen Passanten in den wenigen Sekunden der Vorbeifahrt an „Mutter Erde“ in Nikolsdorf?
Ein schwer definierbares Etwas aus Glas am Straßenrand, einen grünen Quader, einen Schriftzug „Osttirol“. Papa ruft nach hinten: „Ah, nu zijn we in Oost-Tirol, lieve kinderen.“ Nur ein Eindruck blieb – als wahrgenommene Information – im Gedächtnis des Mannes haften: Der Schriftzug „Osttirol“ und dessen informativer Gehalt: wir sind gerade über eine Grenze gefahren.
Und genau dieser Eindruck hätte auch gereicht. Vielleicht noch versehen mit einem „Willkommen!” Kognition, sprich Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen kommt von „cognoscere“, auf Lateinisch „erkennen“. Was man nicht erkennt, hinterlässt schlicht keinen Eindruck, bleibt nicht hängen und ist so gesehen als Botschaft nutzlos.
Und genau das trifft – leider – auf die unbekleideten Frauen aus Glas zu, die liegend oder stehend, als Halbrelief verschmolzen mit ihrem Hintergrund, in den Himmel oder die Ferne blicken und eine Geschichte erzählen, die sich nur im künstlerischen Beipacktext erschließt. Selbst wenn die automobilen Passanten bei genauerem Hinsehen die Form enträtseln, bleibt deren intendierte Botschaft unweigerlich verborgen. Der uninformierte Beobachter sieht nicht mehr und nicht weniger als eine nackte Frau aus Glas.

Und damit wird das Problem mit den Zeichen und ihrer Bedeutung eher größer als kleiner. Weil – jenseits eines einfach erklärbaren Willkommensgrußes – alles Weitere eine Frage der persönlichen Deutung ist, also der individuellen Sicht der Dinge. Was meinen die Osttiroler mit diesem Zeichen am Straßenrand, wird sich der Holländer fragen. „Hebben jullie dat gezien, kinderen, een naakte vrouw van glas!"
Für den in die Jahre gekommenen Patriarchen an der Spitze des TVB Osttirol ist eine Nackerte am Straßenrand – warum auch immer – ein Zeichen weiblichen Selbstbewusstseins im „patriarchalischen Osttirol“. Vermutlich standen deshalb bei der symbolischen „Enthüllung“ einer Frauenfigur hauptsächlich Männer im Kreis und das auch noch unweit einer kommerziellen Ausziehstation. Ah, ein versteckter Hinweis auf käufliche Lust? So wird wohl der Volksmund mit einem Augenzwinkern die Kunst am Straßenrand deuten.
Bleibt abschließend noch die Beschreibung, die der Künstler selbst seinem Werk mitgibt (siehe unten). Die gläserne Frau ist demnach eine Fruchtbarkeitsgöttin und zeigt uns „die tiefe Verbundenheit des Menschen mit der Natur“. Wo sonst kann man das so schön zeigen, wie am Rand der B 100?
Sie möchten wissen, was die gläserne Frau nach der Intention ihrer Schöpfer erzählen soll? Hier die offizielle Erklärung, falls Sie ein Tourist danach fragen sollte:
Mutter Erde – Ein kunstgeschichtlicher Exkurs
Relief, Plastik, Malerei und Zeichnungen sind die Bildmittel der ältesten Kunst
der Menschheit aus dem eiszeitlichen europäischen Jungpaläolithikum 35.000 bis
10.000 vor heute. Schon in dieser Zeit spielte die Darstellung des Menschen eine
wichtige Rolle. Meist handelte es sich um kleine Frauenfiguren - siehe Venus von
Willendorf.
Auch die in der griechischen Mythologie als Mutter Erde verehrte Göttin Gaia,
ist die Personifizierung der Erde und wird als Mutter aller Dinge, als Quelle allen
Lebens und als Verkörperung der Fruchtbarkeit und der Natur verehrt.
Die dargestellte Frauenskulptur greift diese Symbolik auf: Sie steht stellvertretend
für die tiefe Verbundenheit des Menschen mit der Natur, für Fruchtbarkeit,
Ursprünglichkeit und das Leben im Einklang mit der Erde, ganz im Sinne der
Inwertsetzung und des Schutzes der unberührten Natur in Osttirol.
28 Postings
Hmmmm....schaut irgendwie aus wie die Dinger in Ägypten, halt sus Glas und nicht aus Stein. Aber der Durchreisende, der mit 100 km/h daran vorbeisaust wird sicher verstehen was damit gemeint ist - sofern er die Dame überhaupt wahrnimmt.
Einen Platz zum Anhalten und Verweilen darum schaffen und eine neue Kultstätte könnte entstehen. Das Gemüt des Fremden, eben noch von Lienz als Laufhaus geprägt , mag hier zu Besinnung und Einstimmung kommen.
lese ich da gar eine kleine Stichelei des Herrn Chefredakteurs in Richtung eines alteingesessenen Printmediums heraus? - "Heimatblättchen"
Ich kann nur zustimmen, damit ist alles gesagt!!
Stimme zu! Zeigt einmal mehr wie unkultiviert unsere Leute in den Führungspositionen sind.
Beim Lesen dieses Artikels schwanke ich zwischen zustimmendem Schmunzeln und eifrigem Nicken :-D Well done, Herr Pirkner!
also erst einmal, mir gefallen beide Skulpturen! Nachdem ich den Artikel vom Dolomitenstadt-Chef gelesen habe, habe ich versucht mich zu erinnern, was an welchen Landesgrenzen steht und welche Botschaft es (für mich) hat. Und tatsächlich ist mir nichts eingefallen, weder in Nordtirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten oder sonst in irgendeinem BL oder irgendwo im Ausland, das mich so nachhaltig beeindruckt hat, dass ich mich daran erinnere. Für mich schließe ich daraus, dass es höchstwahrscheinlich vollkommen egal ist, was wo steht und welche Botschaft es vermitteln soll - ich vermute jetzt einmal, dass ziemich viele Reisende, so wie ich, "Kunstbanausen" sind. Das Wichtigste und einzige, an das ich mich erinnern kann ist, dass ich wusste, wo ich gerade war. Und somit ist ein Schriftzug "willkommen in....", zumindest für mich, mehr als ausreichen. Und wenn das schön gestaltete Buchstaben ohne sonstiges (kostspieliges) Beiwerk sind - umso besser!
Mir ist es auch egal, was an welchen Landesgrenzen steht. Dass aber Kunst im öffentlichen Raum herumsteht finde ich schön.
Ok, DEN Unterschied zwischen Kunst und Kommunikation habe sogar ich verstanden!
Aber: Hätte man sich mit der Kunst zufrieden gegeben und nicht versucht, ihre "Botschaft" bedeutungsschwanger in die Länge zu ziehen, würde das Ganze nicht so sehr an den Witz vom Tattoo auf der Herrentoilette erinnern!
Sie meinen damit sicher, die Angelegenheit unterm Teppich zu kehren und damit in die Vergessenheit zu schieben? Mit dem "Kunstwerk" wurden leider Fakten geschaffen, die vermutlich durch normative Kraft über viele Jahre verharren werden. Egal, die Chance wurde vertan, Geld regiert halt mal die Welt!
Ok, dann noch einmal ganz langsam: Abgesehen davon, dass ich von Erklärungen, was ich "sicher meine" lieber keinen Gebrauch mache, wenn ich mir selbst sicher bin, was ich meine, könnte man nochmals auf die Strategie des Kommunikationswissenschaftlers verweisen: Er lässt sich seine Demontage der absolut kontraproduktiven, unnötigen und sinnbefreiten "Rechtfertigung" eines Kunstwerkes durch die Kommentare, die er damit provoziert, bestätigen. So etwas nennt man Zirkelschluss.
Kunst IST Kommunikation. Auf die Art und Weise, wie sie sich mit dem Beipacktext selbst außer Kraft setzt, ist sie es nicht!
einfach ein FAUXPAS, wer hats verbockt? Tourismusverband? Wer zahlt: WIR
Schade dass man die Gelegenheit verpasst hat eine einzigartige, originelle Bezeichnung zu wählen. "Dolomitenfrau" oder "Dolomitenportal" wäre einmal etwas ganz neues, und die Bürgermeisterin könnte es sich merken.
weil in Lienz eh noch nichts "Dolomiten-..." heißt (oder in Matrei "Tauern-...")
Blitzkneißer
@joey: souwiesou.
Der Holländer kommt wohl eher über den Felbertauern und da hat er nach der Maut wohl mehr Zeit sich die Eingangsskulptur anzusehen!
Der fliegende Holländer siehts nicht.
Der Glaskubus steht ja auch nicht in der Isel. :-)
nicht einmal bei den Holländern ist das so einfach, da gibt/gab es angeblich die Wohnwagenfahrer, deren Töchter leichte Beute für Tiroler Naturburschen waren, die liberalen Kiffer, die obengenannte mit ein bisschen besserem Kraut als gewohnt versorgt haben, die rechtsextremen Wilders-Wähler, die calvinistischen Schrebergärtner, die täglich ihre Fenster putzen, damit alle hineinschauen können wie supersauber alles ist, die Kasköpfe...
Vielleicht bringt de Figur jemand mit an Alien in Verbindung, das die Leute denken beim Vorbeifahren, hetz sein se ba de Ausserirdischen, in ana ondan Welt?🤣🤣🤣
Danke Herr Pirkner!
Auch ich hätte nicht gedacht das ich einmal einer Meinung mit Herrn Pirkner bin, aber das kann ich zu 100 Prozent mittragen. Dieses "Kunstwerk" hat leider ausser unserem Werbeschriftzug von Ostirol in keinster Weise etwas mit Osttirol zu tun. Schade, wieder eine Gelegenheit verpasst, Durchreisenden zu zeigen wie schön Osttirol ist. Ein Bild der Lienzer Dolomiten, des Großglockners vom Ködnitztal aus oder den schönsten Talschluß Mitteleuropas mit dem Großvenediger. Wir haben wunderschöne Berge mit denen wir uns identifizieren. Warum zeigen wir sie nicht her? Weil das zu einfach ist??
in bezug auf die "ausziehstation" könnte man doch ein umkehrschild dazumontieren .... wobei dafür diese figur eher liegend dargestellt werden sollte tz tz
Wenn dann im Winter der Schneepflug den Gatsch zur nackerten befoerdert hoffe das der Initiator Sie putzen geht....und nicht wie ueblich fuer seine Belange TVBO Personal rekrutiert.
Ich finde er eigentlich ganz hübsch, wenn ich mir persönlich Berge schöner und authentischer vorgestellt hätte. Immerhin haben wir 266 Dreitausender vorzuweisen. Aber alles besser als die verfaulten Holzstummel.
Stimmt, aber wir haben noch deutich mehr notgeile Männer. Also, willkommen im vorigen Jahrhundert (LGBTQ, entartelte Kunst, FPÖ, ...)
... dass ich ihnen noch einmal voll zustimmen kann! Save the date !
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