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Ausreichend Passagiere für die Busse im Regionetz des Lienzer Beckens sind wohl auch in Zukunft nicht zu erwarten. Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Ausreichend Passagiere für die Busse im Regionetz des Lienzer Beckens sind wohl auch in Zukunft nicht zu erwarten. Foto: Dolomitenstadt/Pirkner

Öffis in Lienz: Dichtes Netz und kurzer Takt sind Illusion

Unser Resümee nach einem Selbsttest der Redaktion mit durchaus gemischten Eindrücken.

Es gibt eine Regel im Marketing, die sich auch Verkehrsplaner und Politiker beim Thema öffentlicher Verkehr zu Herzen nehmen sollten: Der Kunde hat immer recht! Ob ein Bussystem in der Stadt Lienz, im Talboden und in den Tälern angenommen und ausreichend frequentiert wird, hängt ausschließlich davon ab, ob es den Bedürfnissen der Nutzer entspricht.

Diese Bedürfnisse lassen sich in einem Satz zusammenfassen: „Immer dann, wenn ich von A nach B will, muss zeitnahe und günstig ein öffentliches Verkehrsmittel dorthin fahren.“ Das ist derzeit in der Stadt Lienz und ihrer Umgebung schlichtweg nicht der Fall und deshalb funktioniert das Linienbussystem nicht. Wer in größeren Städten lebt, in Innsbruck, Salzburg, Graz, Wien oder den großen Metropolen dieser Erde, der findet in vernünftiger Gehweite zu jeder halbwegs vernünftigen Tageszeit ein öffentliches Verkehrsmittel in einem dichten Netz, das fast alle Punkte dieser Städte miteinander verbindet.

Deshalb, und nur deshalb, funktionieren diese Netze. Nicht im Sinne von Kostendeckung, das ist kein Ziel, aber im Sinn von hoher Nutzerfrequenz, durch die es möglich wird, den Pkw-Verkehr einzudämmen. Nichts deutet darauf hin, dass das im Lienzer Becken mit öffentlichen Verkehrsmitteln derzeit gelingen könnte und auch die Aussichten für die Zukunft sind für ein flächendeckendes Öffi-Netz trist. Unser Selbsttest erhebt keinen Anspruch auf breite Gültigkeit. Dazu müsste man hunderte, vielleicht tausende Fahrten zu allen möglichen Zeiten absolvieren. Das ist aber nicht nötig für eine authentische Einschätzung. Die können wir nach unseren Busfahrten aus allen Himmelsrichtungen sehr wohl geben.

Journalistenausbildung mit Praxisbezug. Wir haben bei unserem Test allerhand über die Öffis im Lienzer Becken gelernt. Foto: Dolomitenstadt/Zanon

Es ist evident, dass nur zu ganz bestimmten Zeiten und nur an ausgewählten Orten der öffentliche Verkehr einigermaßen zufriedenstellend funktioniert. Eindeutig verbessert hat sich etwa die Anbindung der Sonnendörfer an die Stadt, zumindest zu manchen Tageszeiten. Hat man Glück, wie Sigrid in der Schlossgasse, dann ist die Busverbindung auch innerstädtisch perfekt. Leider nur zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort. Schon eine Viertelstunde später oder zweihundert Meter weiter gilt das nicht mehr. Busse, die zu Stoßzeiten fahren oder in den überregionalen Fahrplan eingetaktet sind, füllen sich mit Menschen, die tatsächlich zum Bahnhof oder in die Nähe einer der anderen Haltestellen fahren wollen. Für einen Rund-um-die Uhr-Betrieb der halbwegs zufriedenstellend ist, ist der Takt zu lang und das Netz nicht dicht genug. Da fehlt es weit!

Dieses Dilemma ist nicht lösbar, auch wenn es sich die Verkehrsplaner noch so inbrünstig wünschen. Wo der Wunsch zum Vater des Gedankens wird, ist das Ergebnis eine Flotte von riesigen Dieselstinkern, die sich mit wenigen bis gar keinen Passagieren durch enge Kleinstadtgassen zwängen, auf der Suche nach „Erleuchteten“, die endlich begreifen, dass ein Bus einfach super ist. Ist er nicht!! Nicht dann, wenn er erst in einer Stunde kommt, nicht dann, wenn man 700 Meter zur nächsten Haltestelle latschen muss, mit schweren Einkaufstaschen oder quengelnden Kleinkindern.

Ein dichtes Netz und ein kurzer Takt sind im kleinstädtischen Gefüge des Lienzer Beckens eine Illusion! Niemals wird hier der Bus den Pkw schlagen. Dazu gibt es außerhalb der Hochsaison einfach zu viele komfortable Parkplätze. Dazu sind die meisten Einwohner zu mobil mit dem Rad oder zu Fuß. Und dazu leistet gerade bei älteren Menschen das genauso günstige Seniorentaxi einen wesentlich besseren Dienst von Tür zu Tür.

Womit wir bei einer möglichen Lösung wären. Öffentliche Taxidienste, betrieben mit Solarstrom und flexibel abrufbar bei Bedarf, kleinere Elektrobusse in einem smarten Netz, das auf akuten Bedarf reagieren kann und große Linienbusse auf den Hauptschlagadern und zu Stoßzeiten – das könnte klappen und ist dennoch eine weit entfernte Zukunftsvision. So wie die VVT-Linien derzeit durch den Talboden kurven, werden sie weiterhin keine Auslastung schaffen, die ihren Treibstoffverbrauch und die Abgasbelastung des Lienzer Beckens rechtfertigen könnte. Leider!


Unser Resümee: Plus: Wer zeitlich flexibel ist, hat deutlich mehr Optionen als bisher. Die Umlandgemeinden der Stadt Lienz sind besser angebunden als früher. Gut erreichbar sind alle Ziele nahe dem Bahnhof Lienz. Minus: Wer pünktlich zu einem Termin muss, scheitert an den langen Intervallen. Wer aus der Lienzer Peripherie zu einem anderen Ziel am Stadtrand muss, hat Pech. Gelegenheitsfahrten ohne diverse Ermäßigungen gehen ins Geld. Alle Testfahrten auf einen Klick!
Sie haben Lust auf eine Busfahrt bekommen? Dann testen Sie doch selbst den öffentlichen Verkehr von und nach Lienz bzw. in der Stadt und ihrer Umgebung! Schicken Sie uns Ihre Erfahrungen (am besten mit zwei, drei Fotos) an redaktion@dolomitenstadt.at! Wie wäre es mit einem Bericht aus dem Bäderbus? Oder mit einem Familien-Bustag, an dem alle Familienmitglieder nur mit den Öffis fahren? Wir publizieren Ihre Eindrücke samt Plus/Minus und Fahrtzeitenanalyse! Als Werkzeug empfehlen wir die VVT-App oder den Fahrplaner „Scotty“ der ÖBB, beide Apps sind verlässliche Öffi-Begleiter.
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

3 Postings

steuerzahler
vor 6 Jahren

Ich habe vergangene Woche von unserem Fenster zu verschiedenen Tageszeiten (war in Urlaub) die vorbeifahrenden Busse in der Kärntnerstrasse beobachtet. Ich habe viele gesehen, fast alle waren leer. Ich konnte lediglich einen (!) Passagier sehen. Vielleicht waren es auch mehr und ich konnte sie nicht erkennen, aber sicher nur einstellig. Damit liegt die Auslastung unter einem Passagier pro Fahrt. Wozu leistet man sich das? Wem dient dieser Unsinn? Das ist nach mehr als einem Jahr Betrieb doch eine einzige Bankrotterklärung. Ich empfehle, dieses Experiment als gescheitert zu betrachten und zu beenden. Viel sinnvoller wäre es, Fahrtendienste (bin nicht beteiligt) zu fördern. Die können dann auch Passagiere samt deren Einkauf bis zur Haustüre bringen. Die Busse schaffen das eindeutig nicht. Statt ständig sinnlos herumzukurven, fährt der Fahrdienst gezielt und nur bei Bedarf. Lienz ist wohl zu klein für stadtische Buslinien.

 
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Mariazell
vor 6 Jahren

Wenn man sich Mühe gibt lässt sich der Fahrplan so machen das er für die Scüler für die Leute die zur Arbeit müssen und Leute in der Freizeit passt der Verkehrsverbund Tirol spllte auch den Öffi Treff in Osttirol machen und nicht nur in den anderen Bezirken.

 
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bb
vor 6 Jahren

Für mich das Haupt-Manko der aktuellen Situation: mit Öffis pünklich um 7:30 am Arbeitsplatz in Lienz sein - geht nicht (es sei denn, der ist in Bahnhofsnähe und der Arbeitgeber in gnädig). Alles ist auf Schüler und Menschen ausgerichtet, die um 8:00 wo sein müssen. Das betrifft die Regio-Busse und die Busse aus den Tälern, die scheinen auch nicht aufeinander abgestimmt zu sein. Sich mit Horden von Schülern in schon recht volle Busse drängen zu müssen ist auch nicht das, was ich jeden Tag haben muss. Vom Fahrer auf den nächsten Bus vertröstet werden, während ich eigentlich schon am Ziel sein sollte - auch nicht so cool...

 
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