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Kontroversielles rund um das Thema Wolf

Balluch schreibt an Köll und die Osttiroler Jungbauern schildern ihre Ängste.

Zwei aktuell an die Medien verschickte Stellungnahmen zum Thema Wolf zeigen recht gut die Polarisierung, die der heimkehrende „Beutegreifer“ auch in Osttirol bewirkt. Nachdem in Matrei ein Tier gesichtet und gefilmt wurde – flankiert von mittlerweile drei noch nicht eindeutig zugeordneten Schafrissen – forderte der Bürgermeister der Marktgemeinde, Andreas Köll, sofortige „Entnahme“, weil die Bevölkerung gefährdet sei. Darauf reagiert Martin Balluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken, mit einem offenen Brief an Köll, in dem er schreibt:

„Bienen töten im Mittel zehn Menschen pro Jahr in Österreich, Rehe via Autounfälle drei bis vier Menschen und 138.000 Menschen sterben jährlich an Bissen durch Giftschlangen. Müssten da nicht alle diese Tiere ausgerottet werden? Oder die Kühe auf der Alm? Nein, ich fürchte hier geht es nicht um die Gefahr für Menschen. Hier geht es um die Konkurrenz, die die Jägerschaft durch die Wölfe fürchtet. Man neidet dem Tier die wenigen Rehe und Hirsche, die er zum eigenen Überleben tötet. Doch dieses Partikularinteresse einer kleinen Minderheit, möglichst viele Tiere abschießen zu können, muss sich hinter der Mehrheitsmeinung, die dem Wolf wohlwollend gegenüber steht, und hinter den ökologischen Ansprüchen zurückstellen. Für ein komplettes Ökosystem ist der Wolf unabdingbar. Und gerade ein Nationalpark, wie jener in den Hohen Tauern, sollte daher die Einwanderung von Wölfen begrüßen.“

Martin Balluch vermutet: „Hier geht es um die Konkurrenz, die die Jägerschaft durch die Wölfe fürchtet.“ Foto: Expa/Trimmel

Ganz anders sehen das die Osttiroler Jungbauern und -bäuerinnen, verteten durch Simon Staller und Manuela Leiter, Bezirksobleute der Jungbauernschaft / Landjugend. „In Gesprächen mit Vereinsmitgliedern, Freunden und Bekannten hört man eines sehr deutlich heraus: Die Sorge ist groß. Das beginnt bei den Jungbauern, die überlegen, ob sie ihre Schafe, Ziege und Kühe heuer überhaupt auf die Alm bringen können“, berichtet Simon Staller aus Matrei. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zum Herdenschutz hält der bäuerliche Nachwuchs aus topografischen Gründen für ungeeignet, generell für zu kostspielig und auch – Stichwort Herdenhunde – für tourismusfeindlich.

„So kann sich nun jeder selbst die Frage stellen, ob ein Miteinander von Landwirtschaft, Tourismus und Wolf in Osttirol möglich ist. Wollen wir weiterhin gepflegte Almlandschaften, die auch touristisch genutzt werden können?“, gibt Bezirksleiterin Manuela Leiter zu bedenken und zeichnet ein Schreckensszenario. Ganze Talschaften könnten verwildern, der Erosionsschutz gehe verloren und durch „mangelnde Photosynthese-Leistung und weniger CO2-Bindung“ treibe der Wolf indirekt sogar den Klimawandel voran. Fazit: „Die Osttiroler Jungbauernschaft/Landjugend ist klar gegen eine Ausbreitung des Wolfes im Bezirk und fordert von den Interessensvertretern eine zeitnahe Lösung des Problems!“ Wie diese Lösung aussehen könnte, lassen Staller und Leiter offen.

Wolf in Osttirol? Geht gar nicht, finden die Jungbauern-Vertreter Simon Staller und Manuela Leiter. Sie fordern „eine zeitnahe Lösung des Problems.“ Foto: JB/LJ
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

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10 Postings

JB LJ
vor 4 Jahren

Es erschreckt, wie weit abgedriftet manche Kommentatoren hier die heimische alpine Landwirtschaft betrachtet. Natürlich ist der Wolf kein unmittelbarer Hauptverursacher des zunehmenden CO2-Ausstoßes. Es ist aber die Natur mit ihrer Photosyntheseleistung, die es vermag das in der Atmosphäre vorliegende CO2 zu binden und sogar in Sauerstoff und Zucker umzuwandeln. Der entscheidende Faktor für dieses geniale Naturphänomen ist allerdings Chlorophyll (=Blattgrün). Nur wenn also unsere Berghänge mit sattem Gras, kurzen Weiden und bewirtschafteten Flächen vor der Verbuschung frei gehalten werden kann eine effiziente Photosyntheseleistung garantiert werden. Eine gezielte Beweidung durch Wiederkäuer (Schafe, Ziegen, Rinder) sowie eine Mahd der Bergwiesen ist also direkt mit der Bekämpfung des Klimawandels durch die verbesserte Photosyntheseleistung zu verbinden. Ein Unterbleiben der heimischen Almwirtschat (vgl. Almabtrieb Serfaus) und eine damit einhergehende Verbuschung der Flächen trägt also mit Sicherheit nicht zur CO2-Bindung bei. Wir empfehlen jedem, der diese Ansicht kritisch sieht, mit offenen Augen im Sommer auf den Almen unterwegs zu sein. Aufgelassene Bergmähwiesen und nicht bestoßene Almen zeigen alles andere als eine funktionierende Vegetation und somit funktionierende Photosynthese. Aus Gründen der grünlandbasierten Viehwirtschaft ist vor allem unsere Landwirtschaft definitiv nicht als Klimasünder (vgl. Feedlots in USA, grainfed beef) sondern als „part of the solution“ zusehen. Anderwärtig wird unsere Kulturfläche (Almen, Grünland) nicht für die Nahrungsmittelproduktion nutzbar sein. Weitere Folgen, wie zunehmende Erosionsgefahr (Abrutschen von Schneemassen) durch nicht beweidete Flächen sowie das Verlorengehen von Infrastruktur (Treibwege, Güterwege, Almwege), werden auch dem heimischen Tourismus nicht in die Karten spielen. Schließlich ist unsere einzigartige Kulturlandschaft, durch jahrhundertelange Bewirtschaftung der Bauern erschaffen, Hauptanziehungsmerkmal der Touristen in Osttirol.

Uns ist es ein Anliegen in die Zukunft zu blicken, denn wir müssen mit den Gegebenheiten in den kommenden Jahren zurechtkommen. Wer diesen Ausführungen nicht zustimmen kann, der sei hiermit herzlich eingeladen sich – abseits von dolomitenstadt-Kommentaren – mit der JB/LJ Osttirol in Verbindung zu setzen. Wir freuen uns auf eine sachliche Diskussion!

 
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    le corbusier
    vor 4 Jahren

    hallo JBHJ, danke für den Biologieunterricht. Das mit CO2 ist so eine Sache. Natürlich wird das CO2 durch Photosynthese in den Pflanzen gebunden. Dann kommt das liebe Vieh, frisst es und wandelt es weiter um. Unter anderem zu Methan. Wusstest du, dass eine einzige Kuh bis zu 300 Liter Methan am Tag emittieren kann? Faszinierend. Methan ist dabei 28 mal so Klimawirksam wie CO2. Langfristig könnte man CO2 besser in Wald und Nutzholz binden.

    Natürlich wird der Wolf Veränderung mit sich bringen. Ohne Herdenschutzmaßnahmen wird es nicht gehen. Dadurch können auch Arbeitsplätze entstehen, das muss der Gesellschaft aber auch etwas Wert sein. Es muss aber jedem "Wolfskuschler" (wie man so nett betitelt wird) auch bewusst sein, dass Herdenschutz gravierende Einschnitte für die Bewegungsfreiheit von Wanderern auf Almen bedeutet. Das wäre meiner bescheidenen Meinung nach eh dringend notwendig.

    Noch ein paar abschließende Statements: ja, bin überzeugt, dass Almwirtschaft, regionale Produktion und kleinteilige Landwirtschaft "part of the solution" ist. Es muss aber den Bauern endlich bewusst werden, dass die gesamten Bauernvertretungen in Österreich und der EU, um in der Fachsprache zu bleiben, ein Sauhaufen ist. Da sind auf der einen Seite Bergbauern und kleinere Landwirte die regional buggeln und unsere Kulturlandschaft erhalten und auf der anderen Seite Argrarkonzerne mit gigantischen Monokulturen, Massentierhaltung, Lohndumping und Lobbyismus. Es sind genau letztere die durch diese Methoden den Preis für die Produkte immer weiter senken können wodurch es für kleinere Produzenten (Bauern) nicht wirtschaftlich ist. Schon gar nicht wenn man Bergbauer ist und noch einen Hirten wegen Wolf zahlen muss. Zusammengefasst: der Bauer ist dem Bauer ein Wolf.

     
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Vlad Tepes
vor 4 Jahren

Wenn die Bauern weiter so argumentieren, brauchns sich nit wundern, wenn sie kana mehr ernst nimmt. Sehr interessant zum Thema: http://www.oekojagd.at/files/Oekojagd/Aktuelles/CalandaWoelfe-BOKU_.pdf

Man schaue genauer auf Punkt 8.1, (Wo der Wolf läuft, wächst der Wald!)

 
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Nickname
vor 4 Jahren

Also dem Wolf den "Schwarzen Peter" für den CO2 Ausstoss zuzuschieben ist schon ziemlich befremdlich. Als Viehhalter mit zig Kühen im Stall brauch man sich nicht über den Einfluss des Wolfes auf den CO2 Ausstoss aufregen.

 
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Rudi
vor 4 Jahren

Dieses Problem können eh nur die Jäger lösen 😉😅

 
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student
vor 4 Jahren

Immer wieder interessant, wie sich diese Diskussion alle paar Jahre wieder auftut und die Bevölkerung in 2 fast schon extreme Lager teilt. Keine Seite will der anderen Seite zuhören und meistens endet dieser Streit in sinnlosen, nur von Schimpfwörtern triefenden Wortfetzen auf sozialen Netzwerken (beider Seiten!). Eine richtige, wissenschaftliche Diskussion mit Beinziehung aller Seiten wäre sinnvoll, nicht nur der Schrei nach der schnellsten Lösung.

 
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Zahlen-lügen-nicht..
vor 4 Jahren

Die Iseltal er sind auch nicht ganz blöd. Der Wolf ist Tod, und niemand weiss von Etwas🤣🤣

 
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le corbusier
vor 4 Jahren

"Ganze Talschaften könnten verwildern, der Erosionsschutz gehe verloren und durch „mangelnde Photosynthese-Leistung und weniger CO2-Bindung“ treibe der Wolf indirekt sogar den Klimawandel voran."

also das will ich genauer wissen. bitte um erklärung.

 
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    wolfgangwien
    vor 4 Jahren

    Ja, das ist ja ein haarsträubender Unsinn!

     
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natur1A
vor 4 Jahren

Die Jungbauern, Bauern werden lernen müssen mit dem Wolf zu leben! Anderen Ländern gelingt das ja auch - Italien, Balkanländer, Rumänien, Bulgarien..... Außerdem ist das Problem schon seit Jahren bekannt und es geschieht einfach zu wenig!

 
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