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Auf unkonventionelle Weise übersetzt die in Osttirol geborene Künstlerin unser Innerstes in bildhafte Metaphern. Foto: RLB Atelier/Martin Lugger

Auf unkonventionelle Weise übersetzt die in Osttirol geborene Künstlerin unser Innerstes in bildhafte Metaphern. Foto: RLB Atelier/Martin Lugger

Linda Steiner stellt im RLB-Atelier in Lienz aus

„Introspektion“ nennt die 31-jährige Künstlerin eine beeindruckende Reise unter die Haut. Vernissage am 19. April.

Linda Steiners Ausstellung führt uns auf eine Reise unter die Haut, tief in die verborgenen Schichten des Körpers – zu den Organen. Die Vorstellungen über das Körperinnere waren über Jahrhunderte hinweg von Religionen und Mythen geprägt. In vielen Kulturen werden Zusammenhänge zwischen Emotionen und Organen beschrieben. Die 31-jährige Osttiroler Künstlerin holt in ihrem speziell für das RLB Atelier entwickelten Projekt „Introspektion“ unser Innerstes auf unkonventionelle Weise hervor und übersetzt es in bildhafte Metaphern. "Introspektion" von Linda Steiner wird am 19. April eröffnet und ist dann bis 8. August im RLB Atelier am Johannesplatz 4 in Lienz zu sehen. 

Der Ausstellungstitel „Introspektion“ (lat. „das Hineinsehen“) verweist in der Medizin auf die Einsicht in das Körperinnere; in der Psychologie hingegen auf die Selbstbeobachtung von Gedanken und Gefühlen. Als eine Art Initialzündung für die Annäherung an den eigenen Körper diente Linda Steiner, die 1993 in Lienz geboren wurde und aktuell in Wien lebt, das Buch „The Anatomical Venus“ (2016) der US-amerikanischen Künstlerin Joanna Ebenstein.

Diese ausführliche Recherche widmet sich den anatomischen Wachsmodellen des 18. Jahrhunderts. Die bestechend echt wirkenden Wachskörper waren vornehmlich Lehrobjekte und bedienten gleichzeitig die Schaulust des Publikums. Auffallend ist, dass besonders viele Modelle weibliche Körper darstellen. Anmutig, nackt, daliegend wie eine Venus, mit makelloser heller Haut, echtem Haar und zarten Gesichtszügen sollten sie am geöffneten Körperrumpf die Geheimnisse des Weiblichen eröffnen, weshalb die meisten Modelle einen Fötus aufweisen.

Im Zentrum der Ausstellung steht die lebensgroße Skulptur „Soror“, die am Oberkörper symbolhafte Organe aus Filz zeigt. Foto: RLB Aztelier/Martin Lugger

„Die morbide Schönheit und Verletzlichkeit der anatomischen Venusfiguren haben mich sofort angezogen und berührt. Aber diese Sichtweise auf den weiblichen Körper hat etwas Übergriffiges“, so Linda Steiner im Interview des begleitenden Katalogs. Daher entwickelte sie aus sehr persönlicher Sicht einen Gegenentwurf, eine Projektionsfläche für unterschiedliche Lesarten, jenseits der vom männlichen Blick gelenkten Schaubegierde, die der „anatomischen Venus“ zu eigen ist.

Im Zentrum der Ausstellung steht die lebensgroße Skulptur „Soror“ (lat. „Schwester“), die am Oberkörper symbolhafte Organe aus Filz zeigt. Neben Herz, Lunge, Leber, Magen, Darm und Gebärmutter findet sich auch das Gehirn vor, das nicht ohne Ironie als eine Art Rauchwolke aus dem Kopf wächst. 

Obwohl die Medizin heutzutage ein umfassendes Verständnis aller inneren Mechanismen des Körpers besitzt, gewinnt auch der Vergleich der physiologischen Funktionen eines Organs mit seinen emotionalen Bezügen zunehmend an Bedeutung. Dieser Ansatz ist von Anfang an in der traditionellen chinesischen Medizin sowie der indischen Ayurveda-Praxis präsent. So können Angst, Wut oder Ärger unseren Herzschlag beschleunigen, den Magen-Darm-Trakt beeinflussen oder das Immunsystem belasten. Auch in unserem Sprachgebrauch sind solche Verbindungen durch zahlreiche Redewendungen wie „das hat mir das Herz gebrochen“, „etwas in den falschen Hals bekommen“ oder „da dreht es mir den Magen um“ fest verankert.

Als Pendant zu den Filzorganen spiegeln sich dieselben Eingeweide in abstrahierter Form als Ölbilder an der Wand wider. Eingebettet in nicht zuordenbare Körperfalten, lassen sie Darstellungen entstehen, die eine Kommunikation zwischen dem Innen und dem Außen aufzeigen. Die Diskrepanz zwischen unserer inneren und äußeren Körperwahrnehmung resultiert oft aus gesellschaftlicher Konditionierung, die maßgeblich unsere Vorstellungen darüber prägt, was der Körper ist. Insbesondere das Bild des weiblichen Körpers wird von gesellschaftlichen Stereotypen beeinflusst.

Ausgehend von der Selbstreflexion der Künstlerin kann die Ausstellung von Linda Steiner als eine Anregung verstanden werden, unseren Blick auf unsere eigene Körperwahrnehmung zu lenken, während sie gleichzeitig Fragestellungen über das Verhältnis von Individuum und Kollektiv verhandelt: Was geht in uns vor, wenn wir Darstellungen von menschlichen Körpern betrachten? Welche Menschenbilder und Selbsteinschätzungen, welche Empfindungen kommen dabei ins Spiel? Kann es so etwas wie eine unbefangene Betrachtung überhaupt geben?

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