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Spätestens seit der Ausstellung "Tiroler Musikleben während der NS-Zeit" sollte dieser Teil der musikalischen Vergangenheit Tirols nicht mehr unter den Teppich zu kehren sein. Foto: Clemens Girstmair

Spätestens seit der Ausstellung "Tiroler Musikleben während der NS-Zeit" sollte dieser Teil der musikalischen Vergangenheit Tirols nicht mehr unter den Teppich zu kehren sein. Foto: Clemens Girstmair

Zur Berichterstattung über 90 Jahre Musikbezirk Iseltal

Leser Klaus Lukasser fordert ehrliche Darstellung der musikalischen NS-Vergangenheit.

Die lokalen Medien Osttirols berichteten vom Konzert des Bezirksblasorchesters Iseltal anlässlich 90 Jahre Musikbezirk Iseltal. Gut so, ist doch die Blasmusik – nicht nur, aber erst recht auf hohem Niveau – integrativer Bestandteil unseres kulturellen Lebens, von den unschätzbaren positiven Effekten der damit verbundenen Heranführung junger Menschen an die Musik einmal abgesehen. Aber gerade ihretwegen darf man in der Geschichte der (Tiroler) Blasmusik nichts beschönigen bzw. ausblenden. Alle vier berichtenden lokalen Medien tun das aber, offenbar eine Presseaussendung unreflektiert übernehmend, wenn sie in ihren Kurzabrissen der Geschichte des Musikbezirkes den Eindruck erwecken, als habe es in der NS-Zeit keine Blasmusikkapellen gegeben. Das stimmt so nicht! Die Blasmusikverbände wurden, wie praktisch alle anderen nicht NS-genehmen Dachorganisationen, aufgelöst, aber die Kapellen wurden quasi nahtlos in den neu gegründeten „Standschützenverband“ mit Gauleiter Hofer als Landesoberstschützenmeister – daher der dem Gauleiter „In Dankbarkeit“ gewidmete „Standschützenmarsch“ von Tanzer – übernommen, bestanden aber  und spielten natürlich auch weiter, zumindest solange sie mit Fortdauer des Krieges infolge personeller Engpässe noch spielfähig waren. Die „ Innsbrucker Nachrichten“ vom 14. November 1938 berichteten unter „Tiroler Trachtenkapelle vor dem Führer“: „Vom Alpengau Südgau ist die  Trachtenmusikkapelle von Matrei i. O. einberufen worden.“ Und der „Tiroler Volksbote“ vom 9. Juni 1944 (!) zum 2. Kreisschießen am Adolf-Hitler-Platz in Lienz, Gauleiter Hofer war, erstmals in Osttirol, persönlich anwesend: „Standschützen-Musikkapellen, sowie Sing- und Tanzgruppen wechselten in bunter Reihe mit ihren Darbietungen ab.“ Explizit erwähnt wird die „Tristacher Standschützenkapelle“, weil sie auch noch beim „Brauchtumsabend“ in der „Alpenraute“ mitwirkte . Für die „Säuberung“ des Repertoires von „unerwünschten Liedern, wie Chorälen“,  gemeint waren natürlich  v. a. religiöse, der Standschützenkapellen, so hießen sie nun, war übrigens Josef Eduard Ploner verantwortlich. Dass sich die Blaskapellen damit vor den propagandistischen Karren eines menschenverachtenden, verbrecherischen Systems spannen ließen, sollte eigentlich angesichts der Forschungsergebnisse der letzten Jahre – ich erinnere an die Ausstellung „Tiroler Musikleben in der NS-Zeit“, die auch in Lienz Station machte – bekannt und akzeptiert sein. Sie wurde übrigens, zwar nicht vom Bezirksverband, aber von den BlasmusikerInnen bzw. den Blaskapellen, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, boykottiert. Auch Kurt Drexels Publikation dokumentiert dieses „Klingende Bekenntnis zu Führer und Reich“, so der Buchtitel, eindringlich. Auch bei der Buchpräsentation in Lienz war nur eine Handvoll Blasmusiker anwesend. „Schluss mit der Lüge!“ forderte der Musikwissenschafter Dr. Franz Gratl in der Neuen Südtiroler Tageszeitung vom 29.08.2013. Dem ist nichts hinzuzufügen. Klaus Lukasser, Ainet

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